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ORF-Chef warnt vor Verlusten im Programm

In einem Interview verteidigt Weißmann seine Standpunkte und will sich wieder verstärkt ins Programm einbringen.

21.02.2025 9:25
red07
© ORF/Ramstorfer
ORF-Generaldirektor Roland Weißmann

ORF-Chef Roland Weißmann hat sich mit Äußerungen zu den zuletzt kolportierten, teils drastischen ORF-Plänen der Politik zurückgehalten. Im von APA, „Kurier“ und „Kleine Zeitung“ gemeinsam geführten Interview warnt er angesichts möglicher weiterer Sparvorgaben nun davor, dass es zu „unwiederbringlichen“ Verlusten – auch im Programm – kommen könnte. Änderungsbedarf am ORF-Gesetz sieht er nicht. Die ORF-Corona-Impflotterie bezeichnet er rückblickend als „Fehler“.

„Irgendwann ist eine Grenze erreicht“

Der ORF-Sparplan sieht für heuer 80 Mio. Euro und im kommenden Jahr 104 Mio. Euro vor. „Der ORF hat immer bewiesen, dass er mit Sparmaßnahmen umgehen kann. Ich bekenne mich zu einem sparsamen ORF. Irgendwann ist aber eine Grenze erreicht“, so der ORF-Generaldirektor. „Wenn noch einmal weitere 100 Millionen Euro dazu kämen, ginge das kurzfristig nur über Einsparungen beim Programm. Ist erst einmal etwas gestrichen, ist es in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten möglicherweise unwiederbringlich verloren“, warnte er. Überhaupt sieht der 56-Jährige mit Blick auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk keinen gröberen gesetzlichen Änderungsbedarf: „Ich halte den öffentlich-rechtlichen Auftrag und das ORF-Gesetz für sehr gut. Aber der Gesetzgeber macht die Gesetze.“

Vorhaben der verschiedenen Parteien will er nicht kommentieren, betont aber, dass die Diskussion der vergangenen Wochen gezeigt habe, dass es einen gut ausgebauten Medienstandort brauche. Er werde auch weiterhin diesbezügliche Überzeugungsarbeit leisten. Diese könnte er eventuell bei seinem Vorgänger an der ORF-Spitze, Alexander Wrabetz, tun müssen, wird dieser doch immer wieder als möglicher von der SPÖ aufgebotener Medienminister (und Kunst- und Kulturminister) ins Spiel gebracht. „Ich habe mich mit ihm immer gut verstanden. Ich halte ihn für einen absoluten Medienprofi. Sollte er für Medien, Kunst und Kultur verantwortlich sein, wäre es für den Standort sicher eine gute Entscheidung“, so Weißmann.

„Ich habe mich nie versteckt“

Dass der ORF zuletzt defensiv kommuniziert habe, sieht Weißmann nicht. „Wenn es etwas zu sagen gibt, melde ich mich zu Wort. Ich habe mich nie versteckt.“ Auch mit der Bevölkerung befinde sich der ORF mit Formaten wie „Ein Ort am Wort“ im intensiven Austausch. Anlässlich des sich zum fünften Mal jährenden Corona-Lockdowns arbeite man an einer neue lose Reihe mit dem Arbeitstitel „Miteinander“. „Die öffentliche Diskussion ist derzeit sehr zugespitzt und polarisiert, man hört dem gegenüber oft gar nicht mehr zu. Das wollen wir durchbrechen“, erklärt der gebürtige Oberösterreicher.

Corona-Impflotterie im ORF ein „Fehler“

Mit einer groß angelegten Diskussion wolle man etwa beleuchten, ob man aus der Corona-Pandemie gelernt habe und wie das Land heute damit umgehen würde. Dabei soll auch die Frage gestellt werden, ob der ORF alles richtig gemacht habe. „Es gab sehr lange eine breite Zustimmung zu den Corona-Maßnahmen. Ein Kipppunkt war mit der Impfpflicht erreicht“, analysiert Weißmann. Der ORF veranstaltete eine Impflotterie. „Damit haben wir aber auch all jene ausgeschlossen, die nicht geimpft waren. Auch wenn sie mit Blick auf die Beteiligung ein großer Erfolg war, war die Impflotterie aus heutiger Sicht keine gute Idee. Sie war ein Fehler“, so der ORF-Generaldirektor. Die Akzeptanz der Bevölkerung dem ORF gegenüber steige aber: „Das Publikum merkt, dass wir uns bemühen und die Leute auf Augenhöhe ansprechen.“

Speziell jungen Leuten will der ORF auf TikTok auf Augenhöhe begegnen. Das soll auch nach dem Terroranschlag in Villach so bleiben. Der mutmaßliche Attentäter hatte sich innerhalb kürzester Zeit auf der Plattform radikalisiert. „Wir werden als ORF auf TikTok bleiben, weil wir dort täglich eine Million junger Menschen mit unserem ‚ZiB‘-Kanal erreichen. Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dort mit Qualität vertreten zu sein. Es braucht aber EU-weite Spielregeln für die sozialen Medien“, sagt der ORF-Chef.

„Skifahren und der ORF gehören zusammen“

Für Fans von Sport im ORF hat Weißmann gute Nachrichten parat. In den nächsten Wochen werde man „noch die eine oder andere Akquise verkünden“ können. Denn: „Wir merken, wie gut der Sport beim Publikum funktioniert.“ Sportrechte sind jedoch heiß begehrt und entsprechend teuer. Da der ORF spare, müsse man Prioritäten setzen und auch zusehends Kooperationen mit Privatsendern wie ServusTV oder Puls 4 suchen. Beim Skisport sind diese aber – geht es nach Weißmann – in eher weiter Ferne. „Sag niemals nie, aber ehrlicherweise sind wir so zufrieden mit der Partnerschaft mit dem ÖSV, dass wir das gerne exklusiv so weiterführen würden. Skifahren und der ORF gehören zusammen.“

An den Rechten für die österreichische Fußball-Bundesliga zeigt sich Weißmann interessiert. Der ORF werde sich „sicher intensiv“ am Ausschreibungsprozess beteiligen, müsse dabei aber die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Blick behalten.

„Harte Verhandlungen“ über Radio-Symphonieorchester

Im RSO, dessen (finanzielle) Zukunft ab 2027 weiterhin ungeklärt ist, sieht Weißmann „ein Orchester auf Weltniveau, auf das Österreich stolz sein kann“. Man befinde sich aber in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Derzeit werden noch bis Ende 2026 zehn Millionen Euro jährlich aus dem Bundeshaushalt zugeschossen. Weißmann plädiert auf „Unaufgeregtheit in der Diskussion“, wolle aber „hart verhandeln“. In Markus Poschner, der jüngst – für den Fall, dass die Finanzierung des RSO bis dahin geklärt ist – als Chefdirigent ab der Spielzeit 2026/27 verkündete wurde, sieht er ein „künstlerisches Schwergewicht“. „Es ist wichtig, in unsicheren Zeiten ein starkes Signal zu setzen“, meint Weißmann, zeigt sich aber von der proaktiven Kommunikation Poschners, der auf eine baldige Lösung für das Orchester und ein klares Bekenntnis aller Verantwortlichen drängte, etwas irritiert. „An der Kommunikation werden wir gemeinsam noch ein bisschen arbeiten.“

Weiter täglich Spaß an der Arbeit

Und sonst? Den „Im Zentrum“-Nachfolger „Das Gespräch“ am Sonntagabend erachtet Weißmann als „spannende und abwechslungsreiche“ Diskussionssendung. Die Chefredakteursstruktur im multimedialen Newsroom mit je drei Chefredakteuren und Stellvertretern sei „nicht aufgebläht, sondern sehr schlank“. Denn die Stellvertreter würden als Hauptaufgabe weiterhin Arbeiten übernehmen, die früher von Einzelpersonen erledigt wurden. Dass sich Weißmann mit einem Generalsekretär etwas entlasten könnte, sei denkbar, ohne dass es dazu aber konkrete Überlegungen gäbe. Überhaupt habe er nach drei „herausfordernden“ Jahren weiterhin täglich Spaß in der Arbeit. Er wolle sich als ehemaliger Programmmacher wieder verstärkt ins Programm einbringen und sei somit gut beschäftigt, womit sich die Frage nach einer Bewerbung für eine weitere Funktionsperiode an der Spitze des ORF noch nicht stelle.

(APA)

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