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Wiener Zeitung: 320 Jahre Teil der österreichischen Geschichte

Traditionsblatt erschien 1703 zum ersten Mal - Aus als gedruckte Tageszeitung durch die Regierung beschlossen
©unsplash

Wohl keine Tageszeitung des Landes hat im vergangenen halben Jahr die öffentliche Debatte dominiert wie die “Wiener Zeitung”. Dies lag allerdings weniger an Aufdeckergeschichten, als an der Entscheidung der Bundesregierung, das Ende des Blattes in seiner jetzigen Form herbeizuführen. Am Donnerstag nun soll das Aus für die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt als täglich erscheinende Tageszeitung im Nationalrat beschlossen werden.

Am 8. August werden es exakt 320 Jahre her sein, dass in der Habsburger-Residenzstadt erstmals das “Wiennerische Diarium” erschien, wie die “Wiener Zeitung” in ihren Anfangstagen ab 1703 hieß. Auch abseits des Namens unterschied sich das junge Blatt von der gereiften Tageszeitungsdame des Jahres 2023, war der Umfang im Vergleich zu heute doch ebenso winzig wie das Format. Schlagzeilen suchte man damals ebenso vergebens wie Fotos. Das von Johann Baptist Schönwetter gegründete “Diarium” erschien mit einer Auflage von rund 1.000 Exemplaren zweimal in der Woche.

Die in der Innenstadt sitzende Redaktion versprach bereits damals, “alles Denkwürdige” zu vermelden und das “ohne einigen Oratorischen und Poëtischen Schminck” – ein Pendant des heutigen Redaktionsstatuts, in dem es über die “Wiener Zeitung” heißt: Sie ist “einer qualitätsvollen Berichterstattung, bei der sie die Äquidistanz zu allen Parteien und Sozialpartnern wahrt, verpflichtet”.

Bereits 1712 verzichtete man dann auf ein N im Namen und erschien fortan als “Wienerisches Diarium” – einen Titel, den man bis 1780 trug. In diesem Jahr folgte die Umbenennung in “Wiener Zeitung”, wobei man bereits zum kleinen Kreis der dominierenden Blätter der Monarchie gehörte. Auch hatte man da schon lange die “Posttäglichen Wiener Frag- und Anzeigungs-Nachrichten” inkorporiert, die als Amtsblatt ab 1729 dem “Diarium” angeschlossen wurden.

Mit Beginn des 19. Jahrhunderts erschien die “Wiener Zeitung” dann täglich. Auch positionierte sich das Medium als kulturaffines Blatt, das als Erster die neue Rubrik “Feuilleton” in Österreich einführte und sich rühmen konnte, die erste Kritik des späteren Musikpapsts Eduard Hanslick veröffentlicht zu haben.

Das Revolutionsjahr 1848 brachte dann auch für das Blatt dramatische Umbrüche. Man hatte sich liberal positioniert und war entsprechend bei Hof in Ungnade gefallen. 1857 schließlich übernahm der Staat die “Wiener Zeitung”, und die Ära als privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen endete. Im staatlichen Eigentum überstand man die Unbilden des Ersten Weltkrieges und der wirtschaftlich schwierigen Zwischenkriegszeit. Erst der “Anschluss” Österreichs an Nazideutschland brachte das vorläufige Ende der “Wiener Zeitung”, deren redaktioneller Teil 1939 aufgelassen wurde. Ihre Wiedergeburt erlebte die Zeitung dann im September 1945 wieder – wenn auch im bescheidenen Umfang von vier Seiten. Dies steigerte sich in den folgenden Jahrzehnten wieder deutlich. 1995 erschien bereits der Onlineauftritt.

Das neue Jahrtausend brachte dann jedoch Umwälzungen für die “Wiener Zeitung” mit sich, die allenfalls mit den Folgen des Revolutionsjahres 1848 zu vergleichen sind. Die von der Regierung vorgesehene Abschaffung der Pflichtinserate im Amtsblatt erodierte das Geschäftsmodell. Und die ÖVP-Grünen-Regierung schickte im Oktober 2022 einen Gesetzesentwurf in Begutachtung, der letztlich das weitgehende Ende des seit 2012 im Media Quarter Marx ansässigen Blattes als gedruckte Zeitung bedeutet.

Zahlreiche Proponenten aus dem Medien- und Kulturbereich protestierten gegen das Vorhaben, die Bundesregierung ließ sich davon jedoch nicht beirren. So stand die “Wiener Zeitung” am Donnerstag im Zuge des Medienpakets am Programm des Nationalrats. Es besiegelt unter anderem das Aus der Tageszeitung in ihrer bisherigen Form und das spätestens bis Jahresende. Demnach soll die “Wiener Zeitung” primär online erscheinen, allenfalls monatlich in gedruckter Form. Daneben kommt ihr die Aufgabe einer praxisnahen Ausbildung von Journalistinnen und Journalisten sowie bei der Contentbereitstellung für Ministerien und weitere öffentliche Einrichtungen durch eine “Content Agentur Austria” zu.

APA/Red.

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