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Schwarz auf weiß

Diesmal gleich drei Themen: Was beim „Standard“ verschwindet. Ob Ski Austria einen Bauchfleck verwindet, und was die freie Meinung behindert.
privat

Standard-Leser – nämlich jene, die durchschauen, wie dessen erbärmliches Geschäfts­modell funktioniert – wunderten sich einiger­maßen. In diversen Mails wurde ich – damit das nur ja nicht an mir vorübergeht – darüber informiert. Brachte doch die lachsfarbene Postille jüngst einen Artikel zum Thema „Hassrede schadet der Akzeptanz von Marken“ auf ihrer Page. 

Vor Kurzem konnte man darin lesen, dass Studien der University of Pennsylvania und der University of Southern California mit etwa 3000 Teilnehmern zum Ergebnis kamen, dass Hatespeech den Marken, die auf Plattformen, wo Hassrede betrieben wird, Werbung betreiben, signifikant schadet.

Na Servas. Und das liest man im Standard?!

Im Zentralorgan der Hasspostings so etwas zu lesen, ist durchaus überraschend. Räumt doch die Standard-Geschäftsmethode anonymen Postern die Möglichkeit ein, ihrem Frust, ihrer Gehässigkeit und Bösartigkeit freien Lauf zu lassen. Und das noch dazu unter dem Deckmantel der Anonymität und der Nutzung von Pseudonymen.

Aus der Studie geht hervor, dass ein Fünftel der Umfrageteilnehmer angibt, Inserenten weniger gerne zu mögen, nachdem sie in sozialen Medien Anzeigen mit Hassreden gesehen hatten. Die Zahl der Personen, die bereit war, diese Werbeanzeigen anzuklicken, nahm um 35 Prozent ab. Die Hasswerbung verändert aber auch die Beliebtheit. Die Stimmung gegenüber Werbetreibenden veränderte sich dabei von positiv auf neutral. Zusätzlich kam es zu einem noch größeren Rückgang der Beliebtheit in Hinblick auf die Media-Plattformen selbst.

Je beliebter eine Marke ist, desto größer ist auch die Ver­änderung bei der Beliebtheit. So fällt die Haltung von 66 Prozent der User bei einer Marke für Mundpflege positiv aus, nachdem die User auch ein positives Posting gesehen hatten. Sogar 70 Prozent waren nach einem neutralen Post ebenfalls dieser Meinung. Nur 57 Prozent hatten nach einem negativen Post eine positive Meinung von der Marke. Das Fazit der Forscher: Marken mit großer Beliebtheit sind besonders anfällig für negative Auswirkungen auf deren Wahrnehmung, die durch die Nähe zu von Usern stammenden Hass-Postings verursacht werd­en. 

Das ist eine durchaus unangenehme Nachricht in eigener Sache, die der Standard da brachte.

Denn wenn die Inserenten, sprich jene, die Online-Werbung und Banner auf derstandard.at schalten, diese Information verinnerlichen, dann könnte das die Macher des vermeintlichen Gutmenschen-Blattes Standard eine ordentliche Stange Geld kosten. Nicht besonders lustig in Zeiten, wo der Chefredakteur gerade von Bord gegangen ist (nach groben Auseinandersetzungen über die Zukunft der Zeitung) und nachdem eine ganz Reihe von Mitarbeitern (auch im Videobereich) sich verabschiedet haben. 

Doch nun zur Pointe dieser Story: 

Wenige Tage, nachdem wir das gepostet hatten, suchte ich den Artikel erneut, um mir noch einmal die Details anzuschauen. Doch die Story war weg. Gelöscht. Verschwun­den! So, als wäre sie nie dagewesen. Also frug ich in der Standard-Redaktion nach. Und Astrid Ebenführer aus dem Standard-Team antwortete mir ebenso prompt wie amüsant. Sie meinte nämlich: „Ich nehme an, Sie meinen diesen Artikel?“ Und schickte mir einen Link auf meine extradienst.at-Webpage. Auf unsere (?!) Story „Hassrede schadet der Akzeptanz von Marken“, wo wir den Standard zitiert hatten.

Irgendwo haben wir bei George Orwell in der „Farm der Tiere“ gelesen, wie Systeme es anlegen, die Historie und die Wahrheit nach ihren Vorstellungen rückwirkend zu ver­ändern und zurechtzubiegen. Bei Bronner & Co. geht das – wie gerade be­schrieben – so: 

Was einem selbst unangenehm werden könnte, verschwin­det ganz schnell aus dem Netz. Wäre ja auch blöd, wenn da noch weitere Markenentscheider darüber nachzudenken beginnen, ob sie Mitterecker und seinen Gefolgsleuten weiterhin ihr Werbegeld geben sollen…

 ***

Zum Auslaufen der Skisaison im heurigen Frühjahr gab es wieder so ein typisches Austro-Aha-Erlebnis. Der Öster­reichische Skiverband, der nunmehr als Ski Austria firmiert, präsentierte sein neues Logo. Ein unsägliches Mikado-Stäbchen-Signet, das die Gemüter der Österreicher ordentlich erhitzte. Noch dazu wurde das – um teures Geld von der Agentur Scholz & Friends eingekaufte (man spricht von einem 6-stelligen Betrag) – Logo bei der Prä­sen­tation falsch herum aufgestellt.

In den sozialen Netzwerken gingen die Wogen hoch. „Blamage“, „peinlich“, „Katastrophe“ waren noch harmlose Formulierungen für das, was da Roswitha Stadlober und ihre Recken auf den Markt geworfen hatten. Irgendwie schon schlimm, wenn man neun Mikado-Stäbchen so anordnet, dass sie ein – kaum erkennbares – „A“ darstellen. Und wenn kaum einer auf die Idee kommt, dass die neun Sushi-Sticks unsere Bundesländer symbolisieren sollen.

Da ich niemand bin, der da in die allgemeinen Wut-Tiraden einstimmt, sondern gerne versuche, proaktiv zur Ver­besserung einer Situation beizutragen, hatte ich folgende Idee: Warum nicht die Kreativen des Landes einladen, ein schöneres Signet zu finden? Ein besseres. Wofür wir uns nicht alle genieren müssen. Eines, das Skifahren, den Heiligen Gral von uns Österreichern, international in einem guten Licht darstellt. Und uns nicht zur Lachnummer aller Ski-Nationen macht. „Wenn wir zehn Vorschläge bekommen und einer davon ist besser, dann machen wir daraus eine Story“, besprach ich mit meinen Chefredakteuren. 

Die Reaktion darauf hat uns lawinös überrollt. Über 120 Vorschläge trafen bei uns ein. Daraus wurde eine mächtige Reportage im „ExtraDienst“ und eine Titelgeschichte in Österreichs größter Touristikfachzeitschrift „FM“. Weil Schifahren ja Tourismus ist. Im Sommer haben wir mit einer Publikumsjury die 20 besten Arbeiten – um alles leichter jurieren zu können – vorselektieren lassen. Am 5. Oktober haben wir im Haus des Meeres (Danke an Direktor Hans Köppen für seine Gastfreundschaft in einer einzigartigen Location mit fantastischem Blick über Wien!) das Sieger-Signet gekürt. Wir bitten nun die Firma Eder Generalplaner GmbH vor den Vorhang, dessen Signet als bestes Sujet aller eingereichten Logos von der Jury, bestehend aus 30 Topwerbern, gekürt wurde.

In den nächsten Tagen werden wir mit Nick Eder darauf anstoßen und ihm diverse Preise überreichen, die der Sieger – wie versprochen – für seine Mühe einheimst. Darunter eine Uhr von Maurice Lacroix, ein Gutschein von der Firma Simacek, ein Mini-Goldbarren von der Firma Philoro und ein toller Monat in einer Mercedes Benz-Limousine von Merbag.

Doch ist dieses Sujet wahrhaftig besser? Da ich nicht gerne die Dinge dem Zufall überlasse, bat ich Dr. Felix Josef vom Marktforschungsinstitut Triconsult, einen Logo-Test durchzuführen. Der Endbericht aus dem Oktober 2023 liegt nun vor.

Daraus ergibt sich, dass 86-91 Prozent der Befragten dem Logo von Eder Generalplaner GmbH den Vorzug geben. Gleichzeitig erhielt das Ski Austria-Mikado-Logo teils fürch­terliche Bewertungen.

Eine repräsentative Studie sagt mehr als tausend Worte. Urteilen Sie selbst beim Studieren unserer einschlägigen Reportage auf Seite 56 beziehungs­weise auf unserer Titelseite. Wie es danach weitergeht, erfahren Sie demnächst im „ExtraDienst“.

Schlussendlich möchte ich mich in meinem diesmaligen Editorial einem Thema widmen, das mir ganz besonders am Herzen liegt: Ich möchte über die Themen Cancel Culture, Mainstream, den Begriff „woke“ und damit verbunden über die Intoleranz in unserer Gesellschaft und den Verlust der Meinungsfreiheit nachdenken. 

Wir leben in einer Gesellschaft, in der wir immer mehr vom Mob und von Fanatikern die Hände um den Hals gelegt bekommen.

Schon Barack Obama meinte seinerzeit: „Nicht die besseren Argumente zählen, sondern zunehmend die zur Schau gestellte Haltung und die Moral“. 

Und Milos Matuschek schrieb 2020, dass die Gesellschaft sich in einer Situation befinde, wo längst der Sieg der Gesinnung über die rationale Urteilsfähigkeit stattgefunden hat. 

Um es einfacher zu formulieren: Eine Minderheit von degoutanten und erbärmlichen Sittenwächtern (ja, diese Typen sehe ich genauso übel, wie jene, die Frauen auf der Straße verprügeln, weil diese sich nicht so kleiden, wie sie sich das vorstellen) wacht über allem, was wir da sagen, äußern und tun. Schreibt uns frech vor, wie wir uns zu äußern haben und gibt die Tabuthemen vor. 

Greifst Du heute ein Reizthema auf, dann wirst Du geprügelt. Dann kriegst Du deinen Shitstorm. Dann machen sie dich nieder. 

Das Ärgste: Diese Partie hat eine Methode gewählt, in der man jene, die eine Meinung vertreten, die ihnen zuwider ist, ihrer bürgerlichen Rechte beraubt. Dafür sorgt, dass sie ignoriert werden. Man nennt das „Cancel Culture“. Sprich: Du sagst etwas, das denen nicht passt – und wirst gecancelt. Gecancelt heißt: Du kommst­ in den Medien nicht mehr vor. Du wirst auf den sozialen Netzwerken gesperrt. Du kannst nicht mehr das, was Du dir denkst, sagen, schreiben, posten. 

Und das ist eine erbärmliche, gefährliche und degoutante Entwicklung unserer Gesell­schaft. Das bedeutet nichts anderes, als dass eine Reihe von Typen, die vielfach in dominanten Positionen sitzen, die Themen vorgeben. Und wehe, man widerspricht bei einem der Reizthemen der Mainstream-Meinung. Wehe, Du wagst es, auch nur eine kleine Äußerung darüber zu machen, dass die Unschuldsvermutung überall gelten sollte. Und wäh­rend die Medien auf jemanden einprügeln, über den nur Ver­dacht geäußert wird und der eine oder andere Mahner warnt, „warten wir doch ein wenig zu, bis die Fakten auf dem Tisch liegen“, wird der Mahner ob seiner verbalen Sorgfalt niedergebü­gelt.

Ich habe gelernt – und das ist mein Verständnis –, dass man die Dinge „ausreden“ sollte. Zum „Ausreden“ gehört, dass da mehrere Positionen an den Tisch kommen, die durchaus widersprüchlich sein mögen. Jeder darf ausreden. Die unterschiedlichen Meinungen werden gehört. Am Schluss kommt man zu einem Ergebnis, das ausgewogen und fair, sprich, ausdis­kutiert ist. 

Doch das „Ausdiskutieren“ ist aus der Mode gekommen. Die Meinungsfreiheit wird schon in den Ansätzen gekillt. Mit den Mitteln der Cancel Culture werden jene, die eine Meinung vertreten, die nicht dem meist linken (es gibt dieses Phänomen aber auch am rechten Rand der Gesellschaft) Spektrum angehört, dazu gedrängt, nur das zu verbreiten, was heutzutage von den Sittenwächtern vorgeschrieben wird. 

Fazit: Ich will nicht, dass es unmöglich wird, seine Meinung zu äußern. Auch, wenn sie noch so kontroversiell sein mag. Auch, wenn man damit gegen den Mainstream schwimmt. Es kann einer weltoffenen, vielfältigen und bunten Gesellschaft nicht guttun, wenn Indoktrinierung, Einschränkung und Zwang die Meinungsfreiheit abschnüren.

Was meinen Sie dazu? 

Um Ihre Reaktionen ersucht Sie an christian@mucha.at

Ihr

Christian W. Mucha

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