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Ist die Podcast-Blase geplatzt?

Podcasts präsentieren sich als wachsender Markt und attraktive Werbefläche. Doch nicht alles ist heiter Sonnenschein. Ist der Podcast-Zenit überschritten? Oder gibt es einfach notwendige Umwälzungen in einem neuen Medium, das erwachsen wird?

22.05.2024 14:08
Redaktion
© unsplash

Prinz Harry und Meghan Markle, Joe Rogan oder Kim Kardashian: Das sind nur einige der hochkarätigen Namen, die Spotify mit großzügigen Deals exklusiv an seine Plattform binden will. Schon Ende 2020 wollte der Streaming-Riese so in den Podcast Markt einsteigen und eine zweite Einnahmequelle neben Musik aufbauen. Über eine Milliarde Dollar haben Exklusivdeals, der Aufbau eines Studios und laufende Produktionskosten bis dato ausgemacht. Geht man nach Berichten des Wall Street Journals, haben sich diese Investments bisher noch nicht bezahlt gemacht. Laut deren Insider-Quellen waren die meisten der Spotify-Podcasts 2023 alles andere als profitabel. Kaum verwunderlich, wenn man bedenkt, dass einige der Podcasts eine viertel Milliarde Dollar und mehr pro Episode (!) kosten.

Mit der Rieseninvestition in Podcasts hat sich Spotify in eine eigene Liga katapultiert. Firmen wie Apple oder Amazon haben zwar auch Geld in das Medium gesteckt und produzieren eigene Shows für die hauseigenen Streaming Services. Im Gegensatz zu Spotify können sich diese Firmen allerdings auf andere hochprofitable Produktsparten stützen – Apple hat das iPhone, Amazon seinen Marktplatz und Cloud-Computing. Für Spotify stellt der Einstieg in die Podcast-Arena wohl auch einen Versuch dar, sich vom disruptiven Start-Up zur stabilen Plattform zu mausern und nicht mehr auf Risikokapitalspritzen angewiesen zu sein. Die Firma konnte zwar in den Quartalszahlen seit Jahren ein Wachstum bei den Einnahmen verzeichnen, schafft es aber nicht, daraus Profit zu schlagen. Sieht man sich die Quartalsberichte an, zeigt sich auch, dass die Pandemie der Musikplattform – wie vielen Tech-Firmen – einen ordentlichen Turbo beschert hat. Lockdowns und Homeoffice boten mehr Zeit zum Musikstreamen und eben auch Podcasthören. Die Rückkehr zur Normalität hat dieser Entwicklung wohl etwas den Wind aus den Segeln genommen.

Spotify korrigierte den Kurs, baute Mitarbeiter ab und stellte schwächelnde Shows ein, die trotz großer Namen keine Hörer auf die eigene Plattform locken konnten. Der CEO Daniel Ek gibt sich trotzdem optimistisch. Für ihn ist der Einstieg in Podcasts nur der erste Schritt einer Transformation. Spotify soll alles Hörbare unter einem Schirm vereinen: angefangen bei Musik und Podcasts, bis zu Nachrichten, Sport und Bildung. Zuletzt stellte er klar, dass er die Firma auf einem guten Weg zur Profitabilität sieht, angetrieben von starkem Nutzerwachstum. Bei der angepassten Strategie geht es weniger um Exklusivität als darum, ein breites Publikum zu erreichen. Teure Investments, wie etwa eine Verlängerung des Deals mit Podcast-Gigant Joe Rogan, gibt es aber weiterhin.

Was macht der Markt?

Während Spotify versucht, sich ein großes Stück vom Kuchen abzuschneiden, tut sich auch im weiteren Podcast-Umfeld viel. Im Zentrum steht die Frage: Wie viele Menschen hören tatsächlich rein und wie kann man ihnen am besten Werbung servieren? Zunächst einige Zahlen. Medienanalysten bei MIDiA Research zeichnen ein ambivalentes Bild von der Marktsituation. Laut den Analysten sind Podcast-Einnahmen 2023, trotz Negativschlagzeilen, um 37,6 Prozent gewachsen und die Hörerschaft hat sich um 23,4 Prozent vergrößert. Vergleicht man das mit Zahlen aus 2021 (80,6 und 53,9 Prozent), ist die Einbremsung klar. Doch von einem Crash kann kaum die Rede sein. MIDiA Research verweist hier auch auf die verzerrenden Effekte der Pandemie. Von den derzeitigen Zahlen in die Zukunft projiziert, wird von einem Abebben des Wachstums mit Ende der 2020er Jahre ausgegangen. Global soll der Podcast-Markt dann 10 Milliarden Dollar Wert sein und über eine Milliarde Nutzer bedienen. China und Indien werden auch darüber hinaus als riesige Wachstumsmärkte betont, die bis jetzt noch kaum von dem Medium durchdrungen sind.

Berichte vom Schlachtfeld

Eine Kurskorrektur also oder doch eine ernst zu nehmende Hürde? Einblick können auch Personen aus dem Herzen der Podcast-Industrie geben, die ihr zuletzt den Rücken zugekehrt haben. Mia Lobel, ehemals in einer Führungsrolle beim bekannten Podcast-Produzenten Pushkin Industries, beschreibt in einem Blogpost, warum sie ausgestiegen ist. Sie berichtet von einem explosionsartigen Wachstum der 2018 gegründeten Produktionsfirma, bei dem Qualität und wertvolle Inhalte auf der Strecke blieben. Habe man anfangs noch einen Fokus auf handausgewählte Shows gelegt, so wurde zuletzt nur noch Wachstum als Priorität genannt. Ein Wachstum, das bald mehr kosten würde, als es einbrachte. Lobel selbst verließ die Firma, noch bevor 30 Prozent der Belegschaft gekündigt werden mussten und mehrere Shows eingestellt wurden.

Ein Mikrofon, das die eigene Stimme in Gold verwandelt? Das war einmal. Der Podcast Markt ist hart umkämpft // © unsplash

Adam Davidson, Mitbegründer des Planet Money Podcasts, reflektiert darüber, wie er das rapide Wachstum und das böse Erwachen der Podcast-Welt von innen miterlebt hat. Er führt vor Augen, wie 2018 noch wenigen Leuten überhaupt das Wort Podcast geläufig war und wie wenig Konkurrenz es gab. In diesen Zeiten, so Davidson, konnte jeder, der ein wenig von Audio-Produktion verstand und eine gute Idee hatte, eine Show starten und organisch sein Publikum finden. Sei es durch Mundpropaganda, Empfehlungen oder Hörer, die einfach spontan hineinhören. Heutzutage wäre das unvorstellbar. Statt einer Handvoll neuer Shows im Jahr kamen eher eine Handvoll Shows am Tag auf den Markt und buhlen um Aufmerksamkeit. Besonders stark sei die Flut 2021 während der Pandemie gewesen. Im Zuge des schnellen Wachstums seien auch Persönlichkeiten aus klassischen Medien in Podcasts eingestiegen, die zwar ihr Stammpublikum zum eigenen Podcast locken konnten, was aber nicht garantierte, dass dieses Publikum auf andere Shows überschwappen würde. Indes seien auch die Kosten dafür explodiert, Werbung zu schalten. Konnte man anfangs noch direkt mit Werbeträgern oder Werbenetzwerken zusammenarbeiten, war man jetzt eher auf große Werbedeals angewiesen und musste ebenso große Hörerzahlen mitbringen. Davidson rechnet vor, wie man 2018 realistisch einen Podcast für zwanzigtausend Euro pro Episode produzieren, ein Publikum von 300.000 Hörern ohne zusätzliches Marketing anlocken und 30.000 Euro Werbeeinahmen pro Episode einspielen konnte. 2020 sehe das alles ganz anders aus: 30.000 Euro Produktionskosten pro Episode, 300.000 Euro Marketingbudget, um ein Publikum von 100.000 Hören zu gewinnen und 5.000 Euro Werbeinnahmen pro Episode. 50.000 Euro Verlust statt 10.000 Euro Gewinn pro Episode.

Apple dreht den Hahn ab

Ein Schock ging auch durch die Podcast-Welt, als Apple Anfang dieses Jahres ein Update für die eigene Podcast-App herausbrachte. Für Nutzer schien das Update keine große Veränderung zu sein, aber auf der Produzentenseite schrillten die Alarmglocken. Apple hatte nämlich das App-Verhalten angepasst, wenn es darum geht, Podcasts automatisch herunterzuladen. Abonnierte ein Nutzer früher einen Podcast in der App, wurde jede neue Episode automatisch heruntergeladen, egal, ob der Nutzer sie anhörte oder nicht. Weiter noch: Wenn man einmal ohne Abo eine Episode heruntergeladen hatte und nach einer längeren Pause wieder eine lud, wurden alle Episoden dazwischen automatisch heruntergeladen. Für den Nutzer kein Problem – Smartphones haben mehr als genug Speicherplatz und die Episoden wurden nach einer Zeit automatisch gelöscht. Doch die Messzahlen für Podcast-Publikum wurden gehörig durcheinandergeworfen. Da jeder Download in der Statistik als aktiver Zuhörer aufschien, zeigte sich, dass Publikumszahlen und damit auch Werbereichweite massiv überbewertet wurden.

Eine Podcast-Produktion kann heute oft teuer sein, mit Ausrüstung, Beleuchtung und paradoxerweise oft auch mit Kameramann // © unsplash

Nach der Umstellung brachen die Downloadzahlen der 20 Top-Podcasts laut Podcast-Statistik von Podtrac innerhalb eines Monats um bis zu 20 Prozent ein. Die Podcast-App von Apple wird übrigens laut Podtrac von gut drei Vierteln aller Podcast-Hörer verwendet. Diese Zahl ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die App auf jedem iPhone vorinstalliert ist und mehr als 1,4 Milliarden Apple-Handys im Umlauf sind. Apple schneidet hier allerdings nicht von Haus aus mit, wie das etwa Spotify auf seiner Plattform tut.

Ein Markt im Wandel

Es ist viel in Bewegung in der Podcast Welt, doch von einer Blase oder gar einem Crash kann man so wohl nicht sprechen. Viel eher spielen eine Reihe von Faktoren eine Rolle, dass sich das Marktumfeld verändert und anpasst. Einerseits geht es dabei um technische Aspekte, also die Frage, wie Werbeproduzenten einschätzen können, ob ihr Werbebudget gut angelegt ist. Die notwendigen Kennzahlen werden laufend angepasst und es ist Vorsicht geboten, im Informationsrennen nicht zurückzufallen. Auf der anderen Seite stehen Überinvestitionen und nicht nachhaltiges Wachstum, was Marktkorrekturen zur Folge hat. Ob es das verzerrte Nutzerverhalten während der Pandemie ist oder das veränderte Downloadverhalten bei der iPhone-App – die Euphorie des Podcast-Booms hat so manche Streaming-Plattform und so manchen Podcast-Produzenten dazu verleitet, im Überschwang zu viel zu investieren und zu schnell zu wachsen. Nachdem die allzu optimistischen Prognosen verfehlt wurden, ist so mancher auf seinem Investment sitzen geblieben. Während Spotify und weitere große Podcast-Produzenten durchaus die Konsequenzen gezogen haben, indem Personal gekürzt und Shows abgesetzt wurden, werden weiter Signale gesendet, dass man hinter der Entscheidung, zu investieren, auch weiterhin steht. Ob die Wette aufgeht, gerade im Fall von Spotify, ist schwer zu sagen. Wer Wachstumsprognosen über den Podcast-Markt betrachtet, sieht: Es geht um einen Haufen Geld – High Risk, High Reward. Zuletzt bleibt noch zu betonen, dass das Podcast-Angebot einfach eine Sättigung erreicht hat, durch die es schwerer wird, als neuer Spieler ins Podcast-Geschäft einzusteigen. Wer sich überlegt, selbst Podcasts zu produzieren, sollte bedenken, dass man für eine erfolgreiche Show mittlerweile eine Batzen Geld in die Hand nehmen muss. Und wie man bei Spotify gesehen hat, ist selbst das kein Erfolgsgarant. Eine Möglichkeit, eine erfolgreiche Show aufzubauen, ist, einen Influencer anzuwerben, der sein eigenes Publikum mitbringt. Eine solche Show baut auf die Persönlichkeit des Influencers, wodurch Produktionskosten geringgehalten werden können. Einfach gesagt: Man drückt einem Influencer ein Mikrofon in die Hand und er redet drauf los. Podcast-Netzwerke wie Ramble haben diese Idee bereits früh vorangetrieben.

Portrait

Max Wetzelsdorfer

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