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Vorhofer- und Hochner-Preisverleihung: Kritik am “Wiener Zeitung”-Aus 

 Van der Bellen warnte vor "düsteren Zeiten für liberale Demokratie" - Kucera: Fachkräftemangel in der Medienpolitik
©pexels

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Donnerstag die beiden renommierten von der Journalistengewerkschaft ausgeschriebenen Auszeichnungen – den Robert-Hochner-Preis und den Kurt-Vorhofer-Preis – verliehen. Ausgezeichnet wurden die ORF-Journalistinnen Claudia Dannhauser und Gaby Konrad sowie die Redaktion der “Wiener Zeitung”. Das Aus für letztere als gedruckte Tageszeitung wurde unlängst im Nationalrat beschlossen, was Anlass für harte Regierungskritik gab.

Van der Bellen meinte bei dem Festakt in der Wiener Hofburg, dass die Medienbranche in den vergangenen Jahren keinen Rückenwind, sondern “heftigen Gegenwind” erfahren habe. Geschäftsmodelle schwinden und der Respekt sehr vieler Menschen auch. Das liege u.a. daran, dass man es mit neuen Medien zu tun habe, “wo der Hunger nach der schnellen Aufregung mit Algorithmen antrainiert” werde. Man befinde sich in einer Situation, bei der Kräfte am Werk seien, denen es gefalle, wenn Journalistinnen und Journalisten ihren Job nicht wahrnehmen könnten. “Wenn wir diesen Prozess nicht aufhalten können, sehe ich düstere Zeiten für die liberale Demokratie kommen”, so Van der Bellen. “Wir brauchen ihre Unabhängigkeit, ihre Integrität, ihre Genauigkeit, ihr Wissen, ihre Einordnung dessen, was geschieht”, sagte er zu den anwesenden Pressevertreterinnen und -vertretern.

Der Bundespräsident sprach auch zum Aus der “Wiener Zeitung” als tägliche Printzeitung. Vor einer Woche sei das Gesetz bei ihm zur Unterschrift gelegen. “Ob mir gefällt, was ich da unterschreibe oder nicht, hat keinerlei Niederschlag gefunden.” Einzig das verfassungsmäßige Zustandekommen des Gesetzes habe er bestätigt – “nicht mehr und nicht weniger”, so Van der Bellen. Als Regulativ für den Inhalt sah er die Bevölkerung. “Wenn eine Regierung oft Dinge tut, die nicht gefallen, dann wird diese Parlamentsmehrheit die Konsequenzen bei den nächsten Wahlen zu spüren bekommen”, sagte der Bundespräsident.

Eike Kullmann, Vorsitzender der Journalistengewerkschaft in der GPA, ging in einer Rede hart mit ÖVP und Grünen ins Gericht. Seit Monaten sei es ihnen um nichts anderes gegangen, als die “Wiener Zeitung”, “diesen Leuchtturm des Qualitätsjournalismus in Österreich”, zu zerstören. Zahlreiche Stellungnahmen, die sich allesamt negativ mit den Plänen auseinandergesetzt hätten, hätten de facto keine Berücksichtigung gefunden. Eine Wortmeldung habe Kullmann schmerzlich vermisst: jene des Bundespräsidenten. “Ein Gesetz, das verfassungskonform zustande gekommen ist, zu unterzeichnen, ist das eine. Das andere wäre zumindest der Versuch gewesen, den für diesen Vernichtungsirrsinn Verantwortlichen ins Gewissen zu reden, die Öffentlichkeit aufzurütteln.”

Der Kurt-Vorhofer-Preis ging an die Redaktion der “Wiener Zeitung”. Die Jury befand, dass sie “trotz widrigster Rahmenbedingungen strikt an qualitativ hohen Standards festgehalten und damit Mut, Unabhängigkeit sowie kritische Distanz bewiesen” habe. Die Auszeichnung nahm die gewählte Redaktionsvertretung der “Wiener Zeitung” entgegen. Die Rede hielt Gregor Kucera, der sichtlich bewegt meinte: “Wir stehen für objektiven, sachlichen, klaren Journalismus.” Damit liefere die “Wiener Zeitung” die Basis für Meinungsbildung fernab von Fake-News und Manipulation. Man habe gegen das Aus der Printtageszeitung gekämpft, doch es habe letztlich nicht geholfen.

“Wo sind die, denen ein goldenes Klavier nicht wichtiger ist als die älteste Tageszeitung der Welt?”, fragte er. Der Medienpolitik attestierte er, sich nach wohlwollender Berichterstattung festzulegen. “Nirgendwo lässt sich der Fachkräftemangel besser erkennen als in der Medienkompetenz dieser Regierung”, so Kucera. “Wir gehören nicht den Politikern, die uns heute zusperren. Wir gehören allen Österreichern”, sagte der “Wiener Zeitung”-Journalist und bat um eine Schweigeminute.

Der diesjährige Robert-Hochner-Preis ging an die beiden ORF-Journalistinnen Claudia Dannhauser und Gaby Konrad. Sie erhalten die Auszeichnung insbesondere für “ihre kontinuierliche und für breites Publikum verständliche Berichterstattung” über den ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss. Dannhauser ging in ihrer Rede kritisch auf Inseratenkorruption ein – ein Problem, das “man Jahr um Jahr ankreidet, teilweise sogar mit Gesetzen versucht in den Griff zu bekommen, und dann ist es wieder so, wie es eben ist”. Neben der Versuchung für die handelnden Personen sei auch die schwierige finanzielle Lage für viele Medien ein Grund dafür. Der permanente Spardruck bewirke, dass Hunderte Journalistinnen und Journalisten ihren Job verlieren oder deren Positionen nicht nachbesetzt werden. “Im schlimmsten Fall, wie jetzt bei der ‘Wiener Zeitung’, wird das Printprodukt gleich eingestellt”, so Dannhauser.

Auch zur von der Branche hitzig diskutierten ORF-Gesetzesnovelle äußerte sich die “ZiB”-Journalistin: “Neid ist keine Lösung.” Beginnen seriöse Medien sich zu filetieren, profitierten lediglich “Social-Media-Verschwörungsplattformen” und “Propagandakanäle, die immer öfter auch von Parteien bespielt werden”. Dabei dürfe man nicht vergessen: “Freier Journalismus ist keine Selbstverständlichkeit. Eine Demokratie lebt nicht nur mit, sondern vor allem wegen ihres freien Journalismus”, mahnte Dannhauser.

Konrad bezeichnete es in ihrer Dankesrede angesichts der knappen Personalsituation im Journalismus “als Privileg, das wir uns leisten müssen”, in eine Materie wie den ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss eintauchen zu können. “Es ist das beste, vielleicht einzige Rezept gegen Häppchenjournalismus, gegen vorgekaute Meinungen aus Parteisekretariat oder Lobbyagentur.” Auch sie ging auf das geplante ORF-Gesetz ein und bedauerte, dass damit eine wichtige Chance vertan werde: die mögliche Einflussnahme der Politik auf den ORF zu unterbinden. “Das Anhörungsrecht der Landeshauptleute bei der Bestellung der Landesdirektoren bleibt unangetastet. Eine Reform der Aufsichtsgremien gibt es auch nicht”, kritisierte Konrad.

APA/Red.

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