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Reuters Report: Vertrauensverlust als Handlungsauftrag für Medien

Podiumsdiskussion zum "Digital News Report" - Plaikner: Redaktionen nach wie vor Blackbox 
©unsplash

Das Vertrauen der Bevölkerung in Medien steht auf wackeligen Beinen. Der “Reuters Institute Digital News Report” weist einen erneuten Rückgang aus. Für die Branche ist das Herausforderung und Auftrag zugleich, befanden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Podiumsdiskussion, die am Mittwoch anlässlich der Veröffentlichung des Berichts im APA-Pressezentrum stattgefunden hat.

“Die Ergebnisse sind nicht angetan, Feierstimmung aufkommen zu lassen”, sagte Josef Trappel, Leiter des Fachbereichs Kommunikationswissenschaft an der Universität Salzburg, welcher für den Österreich-Teil der Studie verantwortlich zeichnet. So sinke die Zahl der Nachrichtenenthusiasten hierzulande. Auch die Vertrauenswerte in Nachrichten bewegen sich bereits das dritte Jahr in Folge nach unten. Nur 38,3 Prozent der erwachsenen Bevölkerung vertrauen den Nachrichten.

“Wenn die Menschen unserer Arbeit nicht vertrauen, stimmt etwas mit unserer Arbeit nicht”, stellte ORF-Journalist Martin Thür fest. Man müsse diesem Umstand als Medienhaus dringend Aufmerksamkeit widmen und daran arbeiten, dass die geleistete Arbeit wieder stärker als kritisches Hinterfragen der Mächtigen wahrgenommen werde.

Medienberater und -analyst Peter Plaikner warf ein, dass Redaktionen nach wie vor als Blackbox wahrgenommen werden. “Es gilt als sensationell, wenn man sehr transparent ist.” Das müsse sich ändern, so Plaikner. Dem stimmte Julia Herrnböck, “Dossier”-Redakteurin und stv. Präsidentin von Reporter ohne Grenzen zu. Man müsse Diskussionen aus den Redaktionen nach außen bringen, den Umgang mit Fehlern darlegen oder auch die Motivation für Recherchen offenlegen, um Fragen vorwegzunehmen.

Der “Standard” weist mit ORF und “Presse” die höchsten Vertrauenswerte auf. Beim “Standard” wurde ein Transparenzblog gestartet, der offenlegt, wie im Unternehmen gearbeitet wird. “Das war hochriskant und wir wurden für gewisse Dinge im Forum kritisiert, aber es war eine vertrauensbildende Maßnahme”, zeigte sich Nana Siebert, stv. Chefredakteurin des “Standard”, überzeugt. “Presse”-Chefredakteur Florian Asamer meinte wiederum, dass es selbstverständlich dazu gehöre, Quellen offenzulegen und Fehler zuzugeben. Doch sei er kein großer Fan davon zu berichten, wie Entscheidungen in der Morgenkonferenz getroffen werden. Die Userinnen und User seien in erster Linie an Nachrichten interessiert.

Die Anzahl jener Personen, die bereits für Online-Nachrichten bezahlt haben, wächst seit Jahren konstant, aber langsam. Asamer prognostizierte, dass es einen Kipppunkt geben werde, an dem es normal sei, für ein Online-Abo zu zahlen. Problematisch sei in dieser Hinsicht aber die “blaue Seite” des ORF, die den Aufbau von Bezahlschranken mit ihren Inhalten hemme. “Wir machen auch öffentlich-rechtliche Inhalte und wollen in der Produktion dieser nicht schlechter gestellt sein”, so der “Presse”-Chefredakteur. Auch Plaikner meinte mit Blick auf den ORF, dass man darüber diskutieren müsse, ob öffentlicher Mehrwert nur auf ein Unternehmen bezogen bleiben solle. “Wenn zwei das gleiche machen, sollten sie auch gleich unterstützt werden.”

“ZiB 2”-Anchorman Thür wandte ein, dass es enorm bedeutsam sei, dass die Medienbranche aus ihrer “unendlichen Selbstbeschäftigung” rauskomme und userzentrierter werde. “Wir alle müssen daran arbeiten, dass möglichst viele unterschiedliche Medien möglichst selbsttragend überleben können”, so der ORF-Journalist. Das Publikum dort zu erreichen, wo es ist, sei dafür ein erster wichtiger Schritt, sagte Thür.

Wie der Digital News Report zeigt, informieren sich viele junge Personen bereits in den Sozialen Medien. “Tiktok-Nutzer wollen sich amüsieren. Medienunternehmen sind wie der Rosenverkäufer auf diesem Date, der stört”, konstatierte Siebert. Es sei wahnsinnig schwierig, Formate zu finden, die auf solchen Plattformen Aufmerksamkeit erreichen und Journalismus auf gute Art und Weise vermitteln. Asamer wandte ein, dass viele jüngere Zielgruppen die von klassischen Medienhäusern produzierten Nachrichten nicht als solche empfänden. Das man an deren Realität vorbeiproduziere, liege auch daran, wie Redaktionen aufgebaut seien, so der Chefredakteur.

Ein Lichtblick für klassischen Printjournalismus ist, dass dessen Nutzung konstant blieb. Ob das aber auch weiterhin so sein wird, sei angesichts steigender Rohstoff- und Vertriebspreise schwer abzuschätzen, so Siebert. Plaikner ging davon aus, dass es in ca. fünf Jahren einen Kahlschlag bei Montagszeitungen geben werde, da so Kosten beim teuren Sonntagsdienst eingespart werden könnten. Asamer sah die Lage optimistischer: “Die Kuchenstücke werden kleiner und man muss sich sehr genau an jenen ausrichten, die einen lesen sollen. Wenn man das konsequent macht, sehe ich auch für die gedruckte Tageszeitung eine Zukunft.”

APA/Red.

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