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Journalismus-Report: Lokaljournalisten stellen Drittel der Branche

Die Journalisten werden jünger, haben seltener Migrationshintergrund und sind häufiger im Austausch mit Nutzerinnen und Nutzern.
Pixabay

Lokaljournalisten: jünger und gebildeter als der Durchschnitt

Der neueste Journalismus-Report befasst sich mit der steigenden Bedeutung von Lokaljournalismus. Ein Drittel (1.743 Personen) der rund 5.350 österreichischen Journalistinnen und Journalisten ist bei einem Lokalmedium beschäftigt oder befasst sich überwiegend mit regionalen und lokalen Themen, zeigt der Bericht. Im Vergleich zur Gesamtgruppe entpuppen sich Lokaljournalisten als etwas jünger und häufiger im Austausch mit Rezipienten.

Der Journalismus-Report VII. Lokaljournalismus und Innovation ist als Kooperation von Medienhaus Wien und dem Institut für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung der ÖAW/Universität Klagenfurt erschienen. Er wartet neben einer Bestandsaufnahme zu Soziodemografie und Selbstverständnis der Lokaljournalistinnen und -journalisten mit Beiträgen von rund einem Dutzend Autorinnen und Autoren auf, die Einblick in innovative Konzepte im In- und Ausland geben.

Das Geschlechterverhältnis ist bei den im lokalen Bereich tätigen Journalistinnen und Journalisten nahezu ausgeglichen. Allerdings sind nur 29 Prozent aller Führungspositionen im Lokaljournalismus von Frauen besetzt – und damit noch etwas weniger als im gesamten journalistischen Feld, zeigt die einleitende in den Jahren 2018 und 2019 durchgeführte empirische Gesamterhebung von Sonja Luef und Andy Kaltenbrunner auf. Sie zeichnen gemeinsam mit Renée Lugschitz, Daniela Kraus und Matthias Karmasin als Herausgeber verantwortlich. Wo Tagesaktualität gefordert ist, ist der Männeranteil höher. Die Autoren führen das mitunter darauf zurück, dass klassischer Tageszeitungsjournalismus mit seinen unregelmäßigen und zum Teil unvorhersehbaren Dienstzeiten nach wie vor schwer mit klassischer Care-Arbeit zu vereinbaren sei.

Das Durchschnittsalter von Lokaljournalistinnen und -journalisten ist mit 43,5 Jahren etwas niedriger als jenes aller in Österreich tätigen Journalisten. Vor allem der Anteil der unter 29-Jährigen ist im Lokalbereich höher, was darauf zurückzuführen sei, dass sich Lokalressorts nach wie vor häufig als Einstieg in den Job erweisen. Eine Überalterung sei dennoch merkbar und werde zunehmend zur Herausforderung, so Kaltenbrunner und Luef. Der Akademisierungsgrad ist mit 44 Prozent (sämtliche Journalisten: 48 Prozent) weit höher als in der Gesamtbevölkerung.

Nur fünf Prozent aller in diesem Bereich Beschäftigten haben einen deutschsprachigen oder nicht-deutschsprachigen Migrationshintergrund, wobei der Großteil davon in Wien arbeitet. „Dieser geringe Anteil von Journalist:innen mit Migrationshintergrund hat mit der sozialen Realität in Österreich wenig zu tun“, konstatieren Kaltenbrunner und Lugschitz. Es gebe allerdings Anzeichen, dass nicht nur das Bewusstsein für diese Nicht-Repräsentation in Österreichs (Lokal)Redaktionen steige, sondern dieser Einsicht auch allmählich konkrete Maßnahmen folgen, schreiben sie mit Verweis auf junge Initiativen wie Die Chefredaktion oder die ORF-Okto-Lehrredaktion Sag’s Multi.

Knapp die Hälfte der Lokaljournalistinnen und -journalisten macht die tägliche Arbeitsbelastung teilweise oder ganz unzufrieden. Geschätzt werden hingegen die berufliche Sicherheit und die Möglichkeit, sich die Arbeit selbstständig einzuteilen. Ihre Funktion sehen sie im Vergleich zu allen Journalisten in einem deutlich höheren Ausmaß darin, Missstände aufzuzeigen (94 Prozent) sowie Mächtige zu kontrollieren (60 Prozent). Wichtiger ist ihnen auch eine gewisse Serviceleistung für das Publikum und sich für Benachteiligte in der Bevölkerung einzusetzen. Deutlich mehr Zeit wenden sie für den Austausch mit ihren Rezipientinnen und Rezipienten auf, wobei sie dafür vor allem häufiger zum Telefon greifen oder auf persönliche Treffen setzen.

Die Autoren stellten fest, dass sich lokale Themen und Inhalte als Treiber von journalistischer Innovation anbieten, weil sie kaum kopiert oder nachgeahmt werden können. Der Blick über die Ländergrenzen offenbart, dass aber noch besonderes Potenzial bei der Beteiligung von Rezipienten am redaktionellen Prozess besteht. Als wichtig erweisen sich speziell in diesem journalistischen Bereich Förderprogramme wie die Google News Initiative oder die Wiener Medieninitiative. Doch orten die Autorinnen und Autoren hier in Österreich noch Aufholbedarf. Die Politik solle sich bundesweit darum annehmen, so die Empfehlung.

Aus der Praxis steuerten für den Journalismus-Report VII etwa Gerold Riedmann, Chefredakteur der Vorarlberger Nachrichten, und Katja Schell, stv. Chefredakteurin der APA, Beiträge über Innovationen im Lokalbereich bei. Riedmann wies dabei darauf hin, dass lokaler Journalismus die „unglaubliche Chance“ habe, „mit der Ausrichtung auf digitale Leser:innen von der Print-Todesspirale durch das neue Digital-Abo-Schwungrad in ein Wachstum zu gelangen“.

Schell widmete sich der Frage, warum Automated Journalism, also die datengetriebene Generierung von journalistischen Texten, spielentscheidend für Lokaljournalismus werden kann. Automatisierung könne „ins Kleine skalieren“ und dadurch datengetriebenen regionalen, lokalen und hyperlokalen Content bereitstellen. So geschehen etwa bei der Wien-Wahl 2020, als die APA eine Grätzel-Systematik erstellte und am Wahlabend für über 130 Nachbarschaften und mehr als 20 „ikonische“ Gemeindebauten über die dortigen Ergebnisse berichten konnte. Relevant sei dies, weil Nachrichten aus dem unmittelbaren Lebensumfeld Usern einen hohen Nutzwert bieten und sie quasi daheim abholen, so Schell.

 

apa

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