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Einschüchterungsklagen gegen Journalisten steigen europaweit an

Richtlinienvorschlag der EU-Kommission wurde abgeschwächt.
Pixabay

Klagen, um Medien zum Schweigen zu bringen, häufen sich

Strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung – kurz SLAPP-Klagen oder Einschüchterungsklagen – werden europaweit zunehmend zu einem Problem. Wie ein vor kurzem veröffentlichter Bericht der Coalition Against SLAPPs in Europe (CASE) zeigt, steigt die Zahl dokumentierter Fälle weiter an. Auch in Österreich sorgen Klagen für Aufsehen. Indes wurde ein Entwurf der EU-Kommission zur Thematik im Gesetzwerdungsprozess abgeschwächt.

Der CASE-Bericht zeigt, dass im Vorjahr 161 SLAPP-Klagen europaweit dokumentiert wurden. Es liegt damit ein Anstieg gegenüber 2021 (135) vor, wobei die Dunkelziffer weit höher liegen dürfte. Journalisten sind häufigstes Ziel. Auch Medienhäuser, Aktivisten und NGOs werden häufig geklagt. Die meisten Fälle zielen auf einzelne Personen ab und werden wegen Verleumdung eingebracht. Knapp unter zehn Prozent der Fälle sind nationenübergreifend. Als Kläger treten häufig Unternehmen, staatliche Einrichtungen und Politiker auf, wobei sie vielfach wegen Recherchen oder Aktionen zu den Themen Korruption, Unternehmens- und Regierungstätigkeiten oder auch Umwelt klagen.

„Journalistinnen oder Journalisten zu klagen ist eine strategische Entscheidung. Es soll isolieren und ihnen das Gefühl geben, etwas Falsches zu tun“, sagte Flutura Kusari, die das Legal Support Programme des European Center for Press and Media Freedom leitet und als Expertin die Europäische Union und den Europarat zu SLAPP-Klagen berät. Häufig trete eine abschreckende Wirkung ein. Die Berichterstattung oder der Umgang mit gewissen Unternehmen oder Personen werde vorsichtiger oder unterbleibe ganz, weil diese bekannt dafür sind, rasch zu klagen. Als weiteres Kennzeichen einer SLAPP-Klage gelten unverhältnismäßige Klagssummen, wobei die Klagsgründe häufig dünn sind. Zeit und finanzielle Mittel werden aber dennoch gebunden.

„Es ist ein europäisches Problem und daher braucht es eine europäische Lösung“, zeigte sich Kusari überzeugt. 2021 wurde von EU-Kommissionsvizepräsidentin Vera Jourova ein erster Entwurf veröffentlicht, um dem Problem zu begegnen. Dieser habe positiv gestimmt, so Kusari. Doch im Gesetzwerdungsprozess wurde dieser „massiv abgeschwächt“. „Wir sind geschockt“, sagte die Expertin. Werde das Gesetz – wohl Ende des Jahres – so beschlossen, werde Journalistinnen und Journalisten nicht geholfen.

Medienrechtsanwältin Maria Windhager hatte bereits mit mehreren SLAPP-Klagen zu tun. Sie unterstrich, dass man nicht unterschätzen dürfe, wie viel Aufwand mit derartigen Klagen einhergehe und wie lange sich diese häufig vor Gericht ziehen. Wird im Vorfeld der Hauptverhandlung auf Antrag der Kläger von Richtern eine einstweilige Verfügung gegen die Beklagten verhängt, dürfen sich diese nicht länger zur Sache äußern, auch wenn sie später Recht bekommen sollten – „ein Maulkorb“ und mitunter Eingriff in die Meinungsfreiheit, so Windhager. Finanzkräftige Unternehmen oder auch Parteien könnten sich so „ihre Ruhe erkaufen“ – sofern die einstweilige Verfügung durchgeht. Wichtig sei es, Einschüchterungsklagen öffentlich zu machen und aufzuzeigen, wer dahinter steckt.

 

apa

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