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Christian Brandstätter wird 80: “Ich mache weiter, so lange ich kann” 

Gründete 1982 den Brandstätter Verlag und 2002 ein historisches Bildarchiv - "Für die über drei Millionen Bilder würde ich vermutlich fünf Leben benötigen" - Geburtstag am Donnerstag
©unsplash

Der Wiener Verleger Christian Brandstätter feiert am Donnerstag (21. September) seinen 80. Geburtstag. 1982 gründete er den Brandstätter Verlag, der einen Schwerpunkt auf Themen rund um die Wiederentdeckung von “Wien um 1900” legte und den er 2011 an seinen Sohn Nikolaus Brandstätter übergab. Seine Zeit widmet er weiterhin der Aufarbeitung seiner umfangreichen historischen Fotografiesammlungen, die über brandstaetter images vermarktet werden.

“Die Verlagsszene ist heute vermutlich bunter und vielfältiger als Anfang der 80er Jahre”, blickt Brandstätter für die APA an seinen Start als Verleger zurück. “Das liegt in Österreich zum einen an der staatlichen Verlagsförderung, die es damals noch nicht gab und vielen kleinen Verlagen das Überleben ermöglicht. Zum anderen sind die Produktionskosten für Bücher im Vergleich gesunken, vor allem durch die Digitalisierung vieler Prozesse. Das hat die finanziellen Eintrittshürden etwas verbessert, auch wenn die Papierpreise zuletzt stark angezogen haben. Am Ende des Tages ist das Verlegen von Büchern immer noch ein Risikogeschäft, das Gespür und Mut erfordert.”

Christian Brandstätter wurde 1943 im oberösterreichischen Lambach geboren, studierte Jus an der Universität Wien und arbeitete nach dem Studium ab 1968 als Privatsekretär Fritz Moldens und leitender Mitarbeiter des Molden Verlags, wo er 1974 das Bildbandprogramm, die Molden Edition Grafische Kunst, gründete. Nach der Insolvenz des Molden Verlags machte sich Christian Brandstätter selbstständig und übernahm dafür teilweise das Programm und die von ihm geprägte Gestaltungslinie für kunst- und kulturhistorische Sachbücher und Bildbände. “Er scheint mir ein geborener, sogar der allergeborenste Verleger in weitem Umkreis, ein konstitutioneller Verleger, Macher und Liebhaber von Büchern in Personalunion, ein Besessener, ein Kenner, ein großer Gestalter”, gab ihm der Kritiker Hans Weigel damals mit auf den Weg.

So publikumsträchtig seine Linie war, auf schöne Kunstbände zu setzen, dem Werk von Fotografinnen wie Dora Kallmus, Trude Fleischmann und Barbara Pflaum oder Fotografen wie Franz Hubmann und Erich Lessing Raum zu geben aber etwa auch das Kochbuch (wie von Wolfram Siebeck und Ewald Plachutta) zu forcieren, so wechselhaft verlief das wirtschaftliche Geschick. 1991 musste der Christian Brandstätter Verlag Zwangsausgleich anmelden und wurde vom Österreichischen Bundesverlag (ÖBV) übernommen, der 2003 von der Klett-Gruppe aufgekauft wurde. Christian Brandstätter blieb für die Programmlinie verantwortlich, bekam aber zwei weitere Geschäftsführer zur Seite gestellt. 2005 erwarb er 50 Prozent des Unternehmens im Management-Buy-out zurück. 2007 gründete Christian Brandstätter gemeinsam mit dem Münchner Verleger Johannes Thiele den Thiele Verlag als Adresse für literarisch anspruchsvolle, ausgesucht schön gemachte Bücher.

“Momente der Freude gab es in den letzten Jahrzehnten unzählige. Ich konnte mit zahlreichen Büchern dazu beitragen, dass ‘Wien um 1900’ heute eine internationale bekannte kulturelle Marke ist und für die Kristallisation der Moderne steht”, resümiert Brandstätter heute. “Auch im Bereich der Fotografiegeschichte war es mir vergönnt, etliche Schätze zu heben. Daran erinnere ich mich sehr gern. Niederlagen, die es natürlich auch gab, habe ich inzwischen vergessen. Das sehe ich als Privileg meines fortgeschrittenen Alters.”

Die ältesten Stücke aus seiner reichen Fotosammlung stammen aus den Anfängen der Fotografie um 1840. 2002 gründete Christian Brandstätter mit seinem Sohn Nikolaus die Bildrechtsagentur IMAGNO brandstätter images, die seine Privatsammlung und zahlreiche weitere österreichische Bildarchive verwaltet und vermarktet – das größte, privat geführte historische Bildarchiv Österreichs. Seit 2022 lautet der Name brandstaetter images. Exklusiver Vertriebspartner in Österreich ist die Bildagentur APA-PictureDesk.

“Wir erleben eine noch nie dagewesene Flut der Bilder. Wo früher handverlesen Pressefotografen anwesend waren, ist es jetzt ein Dutzend. Und darüber hinaus kann jeder mit seinem Handy selbst zum Zeit- bzw. Fotozeugen werden. Das hat zu einem Preisverfall bei Newsbildern geführt”, meint Brandstätter. “In dieser Hinsicht sind wir mit unseren historischen Bilderschätzen privilegiert. Wir halten zum Teil an ikonischen Fotografien die Rechte, die einzigartig sind. Mit künstlicher Intelligenz generierte Bilder erzielen mittlerweile erstaunliche Ergebnisse, aber es handelt sich um Fälschungen. Es wird Standards geben müssen, wie wir mit diesen Fakes, für die es durchaus Verwendung geben kann, verantwortungsvoll umgehen.”

Für brandstaetter images arbeitet der in Kürze 80-Jährige weiterhin. “Die Aufarbeitung meiner historischen Fotografiesammlungen wird mich noch lang beschäftigen. Für die über drei Millionen Bilder, die wir in unseren Archiven verwalten, würde ich vermutlich fünf Leben benötigen. Ich mache weiter, so lange ich kann und es mir Freude macht. Es tauchen fast jeden Tag neue Schätze auf. Und vielleicht entsteht aus diesem Material wieder ein Buch, das ich persönlich herausgeben werde.” Zu der Vielzahl der von ihm geschriebenen, herausgegeben oder gestalteten Bücher zählen solche über die Wiener Werkstätte (in fünf Sprachen übersetzt), das Wiener Kaffeehaus, Klimt und die Mode, Klimt und die Frauen oder die Wiener Stadt- und Österreichische Kulturgeschichte.

Ein anderer Beruf käme für ihn auch bei einem neuen Leben nicht infrage, betont Christian Brandstätter. “Den Beruf des Verlegers empfinde ich als großes Privileg, es ist vielmehr eine Berufung. Ich durfte so viele spannende Menschen aus unterschiedlichsten Bereichen kennen lernen, sie beim Entstehen ihrer Bücher begleiten und dazu beitragen, dass relevante Themen die Öffentlichkeit erreichen. Auch wenn ich mich schon seit längerem aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen haben, erfüllt mich der Gedanke daran immer noch mit großer Freude, auch wie mein Sohn mit wunderbaren Autor*innen und relevanten Themen neue Schwerpunkte im Verlag setzt.”

Der so Angesprochene gibt die Blumen zurück: “Mein Vater hat den Sprung ins kalte Wasser nie gescheut und stets verlegerischen Mut bewiesen. Mit seiner Pionierarbeit im Bereich Kunst und Kultur hat er das Fundament geschaffen, auf dem wir heute gut stehen”, gibt Nikolaus Brandstätter zu Protokoll. “Sein Optimismus ist ansteckend, sein Lachen raumgreifend und unverkennbar. Ich habe so viel von ihm gelernt, auch dass es keine schlechten Zeiten gibt, nur gute und bessere.”

APA/Red.

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