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Wirbel um Gehaltszulagen für ORF-Mitarbeiter

Der Eingriff in bestehende kollektivvertragliche Regelungen stellt die Haltung der Gewerkschaft auf den Prüfstand.

29.10.2025 16:44
Redaktion
© Andreas Tischler / picturedesk
ORF Zentrum, Wien

Bei Hunderten ORF-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern sind aufgrund eines Sparpakets, das durch eine Gesetzesnovelle im Jahr 2023 verursacht wurde, die Wohnungs-, Familien- und Kinderzulagen gestrichen worden. Die Betroffenen, die allesamt vor 2004 in den ORF eingetreten sind, wandten sich daraufhin an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Dieser erkannte zwar einen Eingriff in bestehende kollektivvertragliche Regelungen – der ORF ist kollektivvertragsfähig -, dieser sei aber “verhältnismäßig” gewesen und durch ein “gewichtiges öffentliches Interesse” gedeckt – nämlich die finanzielle Absicherung des ORF zur Erfüllung seines öffentlich-rechtlichen Auftrags, berichtete der “Standard” kürzlich. Die Arbeitnehmer würden dadurch auch nicht übermäßig belastet.

ORF-Zentralbetriebsratschef Werner Ertl meldete sich am Mittwoch gegenüber dem “Kurier” dazu zu Wort und kritisierte die Entscheidung als “unverständlich” und “Einladung an populistische Regierungen”. “Damit ermöglicht es das Höchstgericht, Arbeitnehmerrechte, Gewerkschaften und die gesellschaftspolitisch bedeutende Kernaufgabe der Sozialpartnerschaft insgesamt auszuhebeln. Das halten wir für demokratiepolitisch bedenklich und für massiv hinterfragenswert”, kritisierte der Personalvertreter gegenüber der Tageszeitung.

Auch die Gewerkschaft GPA schaltete sich zur Causa ein. “Wenn der Gesetzgeber kollektivvertraglich oder betrieblich vereinbarte Entgeltbestandteile einseitig streichen darf, stellt das einen klaren Eingriff in die Tarifautonomie der Sozialpartner dar”, kritisierte GPA-Bundesgeschäftsführer Mario Ferrari in einer Aussendung.

Doppelte Maßstäbe?

Brisant wird der Fall durch die aktuelle Parallele zum öffentlichen Dienst: Erst vor wenigen Wochen wurde der bereits ausverhandelte Beamten-Kollektivvertrag unter politischem Druck erneut aufgeschnürt – diesmal mit Zustimmung der Gewerkschaft. Auch dort ging es um finanzielle Belastungen für den Staat, diesmal zugunsten der Budgetsicherheit.

Im einen Fall (Beamte) akzeptiert die Gewerkschaft also eine nachträgliche Verschlechterung, im anderen (ORF) prangert sie genau dieses Prinzip als „Angriff auf die Tarifautonomie“ an.

Diese Divergenz zeigt, wie situativ die gewerkschaftliche Argumentation inzwischen geworden ist. Der Fall ORF verdeutlicht, dass Gewerkschaften ihre Rolle zwischen politischer Verantwortung und Arbeitnehmervertretung immer schwerer austarieren können.

(APA/red)

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