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Wenn Schwindler ehrlich wirken – Forscher analysierten Polit-Tweets

Studien aus Graz und Bristol untersuchen Rolle von Authentizität und Faktizität
©unsplash

Unter die Fülle von Nachrichten mischen sich zunehmend Falschinformationen. Wenn sich US-amerikanische Kongressabgeordnete in sozialen Medien zu Wort melden, teilen sie beispielsweise zunehmend nicht faktenbasierte Links, wie Forschende aus Graz und Bristol erkannt haben. Für viele Wähler gelten sie dennoch als ehrlich – das hänge mit einem neuen Verständnis von Ehrlichkeit zusammen. Die Rolle von “Glaube, Meinung und Fakten” wird auch auf einer Grazer Tagung diskutiert.

Informationen, die Politiker auf Social-Media-Plattformen teilen, müssen nicht unbedingt richtig sein. Jana Lasser, Physikerin und Komplexitätsforscherin vom Institute of Interactive Systems and Data Science der TU Graz hat beispielsweise in einem internationalen Team mehrere Millionen Twitter-Beiträge analysiert, die demokratische und republikanische Kongressabgeordnete zwischen 2011 und 2022 gepostet hatten. Dabei zeigte sich, dass insbesondere seit dem Wahlsieg des Republikaners Donald Trumps beide Lager zunehmend dazu übergingen, anstelle von Fakten ihre Meinung und Überzeugungen mitzuteilen.

Die Forschenden sprechen in diesem Zusammenhang von “Believe-Speaking”, also von “Glaubensreden”. Auffallend war, dass die republikanischen Abgeordneten im Gegensatz zu den Demokraten dabei zunehmend auf wenig vertrauenswürdige Nachrichtenseiten verlinkten. Beim Teilen von Informationen mit Fokus auf objektiv verifizierbaren Fakten – die Forschenden bezeichnen diese Art zu kommunizieren als “Fact-Speaking” – verwiesen die Abgeordneten beider Parteien gleichermaßen auf Quellen hoher Qualität und Vertrauenswürdigkeit.

Das Forscherteam hat für die Studie den gesamten Datensatz der geposteten Politiker-Tweets einer Computeranalyse auf sprachlicher Ebene unterzogen. Untersucht wurde, ob die verwendeten Wörter einer Meinungsäußerung und somit “Glaubensrede” oder der faktenbasierten Information zuzuordnen seien. Die von Testpersonen eingebrachten Assoziationen wurden computergestützt, um verwandte Ausdrücke erweitert und in Zahlenwerte übersetzt, die jeweils ein Wort im Kontext der gesamten Sprache repräsentieren. Jeder Tweet erhielt einen Score für das Sprachmuster “Believe-Speaking” und einen “Fact-Speaking”-Score.

“Die Differenzierung zwischen Fact-Speaking and Belief-Speaking könnte erklären, warum drei Viertel der republikanischen Wählerinnen und -wähler Trump für ehrlich halten, trotz seiner zahlreichen falschen und irreführenden Aussagen”, so der Kognitionswissenschafter Stephan Lewandowsky von der englischen Universität Bristol. “Denn eine Facette von Ehrlichkeit ist, Überzeugungen aufrichtig zum Ausdruck zu bringen, unabhängig davon, ob sie korrekt sind oder nicht”, so der Co-Autor der Studie, die in der jüngsten Ausgabe von “Nature Human Behaviour” veröffentlicht wurde. Seine “Meinung sagen” selbst wird damit zu einem Indikator für Ehrlichkeit.

Der “Grundrechtstag” der Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter beschäftigt sich dieser Tage an der Universität Graz ebenso mit der Rolle von Glaube, Meinung und Fakten und den Schutz vor Desinformation im Hinblick auf das Grundrecht auf Meinungsäußerung und Informationsfreiheit. “Wie können wir die negativen Folgen der Digitalisierung eindämmen und dafür sorgen, dass der Traum von demokratisierten Medien nicht im Albtraum endet?”, heißt eine der Fragen, die man dort ab dem 28. September diskutieren will.

Vorträge und Diskussionspanels zur Veränderung der Gesellschaft durch Soziale Medien, den Regulierungsmöglichkeiten der digitalen Kommunikation und Fake News als Tool von Politik und Verschwörungstheorien lassen Experten unterschiedlicher Berufsgruppen zu Wort kommen und laden im Anschluss zur aktiven Beteiligung aus dem Publikum ein. Unter anderem wird Fritz Jergitsch, Gründer von “Die Tagespresse” dazu sprechen, “Wie Social Media unsere Gesellschaft verändern” und Petra Stuiber (Der Standard) darlegen, wie die österreichische Politik alte und neue Medien nutzt.

APA/Red.

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