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Chat-App “Signal” droht mit Rückzug aus Europa

Die Diskussion über Hintertüren in verschlüsselten Messengern rückt Europa in ein problematisches Licht.

01.10.2025 13:23
Redaktion
© ORF
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Die Präsidentin der US-amerikanischen Signal-Stiftung, Meredith Whittaker, hat vor einer gefährlichen Weichenstellung in der EU gewarnt. Geht es nach den Plänen einiger Mitgliedsstaaten, sollen Messenger-Dienste künftig technische Hintertüren einbauen, um Inhalte noch vor der Verschlüsselung automatisiert prüfen zu können. Für Whittaker ist das ein untragbarer Eingriff: „Wenn wir vor die Wahl gestellt würden, entweder die Integrität unserer Verschlüsselung und unsere Datenschutzgarantien zu untergraben oder Europa zu verlassen, würden wir leider die Entscheidung treffen, den Markt zu verlassen.“

Schlupfloch für Überwachung

Kritiker der sogenannten Chatkontrolle sehen darin nichts anderes als den Versuch, eine allgemeine Überwachungsinfrastruktur einzuführen. Was als Schutzmaßnahme gegen Darstellungen von Kindesmissbrauch deklariert wird, öffne ein Schlupfloch, das in autoritären Staaten längst als Hebel zur Kontrolle missbraucht werde. Whittaker bringt es auf den Punkt: „Es ist bedauerlich, dass Politiker weiterhin einer Art magischem Denken verfallen, das davon ausgeht, dass man eine Hintertür schaffen kann, auf die nur die Guten Zugriff haben.“

Damit wird aus einer Debatte um Kinderschutz auch eine Grundsatzfrage: Soll Europa in seiner Gesetzgebung Wege ebnen, die künftig jede vertrauliche Kommunikation infrage stellen?

Uneinigkeit in der EU

Im Europäischen Parlament fand der Widerstand gegen Chatkontrolle breite Zustimmung, quer durch die politischen Lager. Im Rat der Mitgliedsstaaten hingegen hatte eine Mehrheit die Pläne befürwortet – doch ohne die Zustimmung Deutschlands blieben sie blockiert. Unter der dänischen Ratspräsidentschaft könnte die Frage nun erneut an Fahrt gewinnen. In Berlin wiederum deutet das „grundsätzlich“ im Koalitionsvertrag an, dass Ausnahmen vom Schutz der Privatsphäre möglich wären – ein Einfallstor für Hintertüren in Signal, WhatsApp oder Telegram.

Gefahr für digitale Freiheiten

Signal-Chefin Whittaker stellt klar, dass ihr Dienst im Zweifel den europäischen Markt verlassen würde, anstatt den Kern seiner Sicherheit preiszugeben. Schon heute habe Signal Wege gefunden, in Ländern wie Russland oder Iran weiter verfügbar zu bleiben. „Aber letztendlich würden wir den Markt verlassen, bevor wir gefährliche Gesetze wie diese einhalten müssten“, so Whittaker.

Ihre Warnung geht über Europa hinaus: Mit Blick auf neue KI-Agenten, die tiefen Zugriff auf persönliche Daten verlangen, fordert sie auch die großen Plattformanbieter Apple, Google und Microsoft auf, wirksame Schutzmechanismen für Nutzer einzubauen.

Am Ende steht die Frage, ob Europa seine digitale Zukunft mit offenen Türen für Missbrauch gestaltet – oder ob es beim Versprechen bleibt, dass private Kommunikation wirklich privat bleibt.

(APA/ORF/red)

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