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Puls 4-Infochefin Milborn verspricht “echte Wirtshausgespräche” 

Will mit Florian Danner beim "Bürgerforum live" nicht zulassen, dass "Politiker abbiegen" - Fragen vom Stammtisch sollen Dialog mit Parteichefs ermöglichen - Ab Dienstag auf Puls 24
© Willfried Gredler-Oxenbauer / picturedesk.com

Der Hochsommer ist vorbei, der Politikbetrieb kommt in die Gänge. Puls 24 nutzt die Gelegenheit ab Dienstag dazu, Parteichefs auf große Fragen und die Wahlen im nächsten Jahr abzuklopfen. Infochefin Corinna Milborn nimmt dafür in einem Gasthaus samt Livepublikum und einem wissbegierigen Stammtisch Platz. Warum man nach den ORF-“Sommergesprächen” für eine weitere Interviewreihe einschalten sollte und wie mit Politikerfloskeln umgegangen wird, erklärt Milborn im APA-Interview.

APA: Worauf zielen Sie mit dem “Bürgerforum live” ab?

Corinna Milborn: Wir wollen mit den Parteichefs und -chefinnen die großen Fragen des kommenden Jahres besprechen und dabei nicht beiseite lassen, dass sie alle im Wahlkampf sind. Um es möglichst nahe für unsere Zuseherinnen und Zuseher zu gestalten, haben wir es als “Bürgerforum” im Gasthaus konzipiert. Wir sind live und machen zwei Teile – ein klassisches Interview und Fragen von Bürgerinnen und Bürgern. Man kann angemeldet kommen, zuhören und spontan Fragen stellen oder man ist Teil eines von Florian Danner moderierten Stammtischs und tritt in direkten Dialog mit dem Parteichef oder der Parteichefin.

APA: Das Konzept ist eine Art Antithese zu den heurigen “Sommergesprächen” im ORF, die ja nicht live, ohne Publikum und in einem Besprechungszimmer stattgefunden haben.

Milborn: Es ist schon ein bisschen das Gegenteil. Wir haben es allerdings schon davor so geplant. Mir hat das Konzept der “Sommergespräche” gut gefallen. Es wurde eine große Dichte hergestellt und Susanne Schnabl hat die Gespräche wahnsinnig gut geführt. Aber nochmal das Gleiche machen hätte keinen Sinn.

APA: Das letzte Interview der “Sommergespräche” ist erst wenige Wochen her. Haben Sie keine Angst, dass das TV-Publikum übersättigt ist?

Milborn: Wir machen ja ganz was anderes. Also nein, die Angst habe ich nicht. Es gibt mehrere Gründe, sich die Interviews bei uns anzuschauen. Man ist mittlerweile wieder voll im Politikbetrieb, mitten im Start eines sehr entscheidenden Jahres mit Wahlen und großen Entscheidungen, und wir haben den Charakter der Livesendung. Damit haben wir immer gute Erfahrungen gemacht, weil man nicht weiß, was passieren wird.

APA: Rechnen Sie damit, dass sich die Politikerinnen und Politiker bei Livepublikum anders verhalten?

Milborn: Ja, ich glaube schon. Es macht einen Unterschied, wie viele Leute im Raum sind. Und wenn man im Wirtshaus ist, ist eine gewisse Augenhöhe da. Man redet Klartext, man platziert keine großen Inszenierungen. Ein großer Teil unserer Sendung ist für Personen reserviert, die mit einem Anliegen herkommen und dann auch weiterdiskutieren. Wir haben einen Stammtisch mit fünf Leuten mit unterschiedlichen Perspektiven, die mit den Parteichefs in Dialog treten. Es werden echte Wirtshausgespräche.

APA: Politikerfloskeln sind häufig ein Problem für aufschlussreiche Gespräche. Wie gehen Sie damit um?

Milborn: Wir machen diese Kombination aus Bürgerfragen und journalistischem Interview absichtlich, um einerseits zu erleben, wie jemand direkt auf die Anliegen aus der Bevölkerung antwortet und andererseits, um alle Fakten und Zitate parat zu haben, wenn man sie braucht. Wir werden es nicht zulassen, dass ein Politiker abbiegt. Florian Danner und ich fordern Antworten ein.

APA: Apropos Antworten einfordern: Wie stehen Sie zum Thema Unterbrechen?

Milborn: Mir wäre es natürlich am liebsten, wenn ich niemanden unterbrechen müsste. Aber ein Interview ist kein Vortrag und auch kein Parteitag, wo jemand eine Stunde lang sagen kann, was er will. Wenn jemand auf die Frage nicht antwortet oder etwas zu lange ausführt, muss ich einfach unterbrechen. Das ist ein Dienst am Publikum, der aber unangenehm zum Ansehen ist. Es ist ein Balanceakt.

APA: Sie moderieren schon viele Jahre “Pro & Contra”. Was ist Ihnen lieber: eine hitzige Diskussionsrunde oder fokussierte Einzelinterviews?

Milborn: Nicht umsonst habe ich mit “Pro & Contra” und “Milborn” zwei Diskussionssendungen, weil ich beides sehr schätze (lacht). Und wir machen auch an den Abenden des “Bürgerforum live” zwei, weil direkt im Anschluss an die Interviews immer ein “Pro & Contra” stattfindet, wo wir Teile des Interviews kommentieren und analysieren. Dabei sind die jeweiligen Generalsekretäre der Parteien, ein Kritiker oder eine Kritikerin und ein Analyst anwesend.

APA: Sie sind seit über zehn Jahren bei Puls 4 bzw. Puls 24 als Infochefin tätig. Wollen Sie noch weitere zehn Jahre anhängen?

Milborn: Ja, ganz sicher! Ich arbeite mit einer unglaublich tollen, sehr kreativen Redaktion. Es gibt kurze Wege, man kann Sachen einfach mal machen. Ich gehe nirgendwo hin.

APA: Es ist kein Geheimnis, dass viele Medienhäuser im Umbruch sind und mit finanziellen Schwierigkeiten kämpfen. Auch bei der ProSiebenSat.1Puls4-Gruppe sind Stellen abgebaut worden. Sie als Infochefin gefragt: Lässt sich der Betrieb noch gut aufrechterhalten?

Milborn: Jede Person weniger bedeutet Abstriche, und es ist nie so, dass man zu viele Leute hätte. Man könnte immer noch tiefer recherchieren, einen noch besseren Beitrag oder eine noch größere Doku anfertigen. Es ist total schmerzhaft, aber das teilen wir mit allen. Die wirtschaftliche Lage ist so, dass es besser ist, gleich darauf zu reagieren, anstatt so zu tun, als wäre nichts.

APA: Blicken Sie sorgenerfüllt oder gelassen in die Zukunft?

Milborn: Ich bin sehr, sehr optimistisch, was unsere Zukunft betrifft. Aber ich mache mir insgesamt Sorgen um die Branche, weil man sieht, dass die Zahl der Journalistinnen und Journalisten im Vergleich zu den Presseabteilungen bei den Mächtigen immer kleiner wird. Das ist für die Gesellschaft nicht gut.

APA: Haben Sie eine Lösung für die Lage parat?

Milborn: Ja, für unseren Bereich. Leute schauen nach wie vor wahnsinnig viel Fernsehen. Aber es gibt eine Umstellung vom klassischen Fernsehen auf Streaming. Diese Umstellung muss man erwischen. Wir machen das mit der Streamingplattform Joyn. Der Start war super, die Zahlen belegen das. Wir wollen auf Augenhöhe mit Netflix, Amazon und Disney sein. Man kann sich dort sehr viel Unterhaltung anschauen, aber man bekommt keine aktuellen Nachrichten, keine lokalen Inhalte. Das bieten wir. Auf Joyn gibt es eine eigene News-Welt, die laufend ausgebaut wird. Wir haben alle österreichischen Sender inklusive ORF und deren TV-Theken kostenlos drauf. Wir werden uns einen Fixplatz auf den großen Screens und den Handys erobern. Das ist der Ausweg.

APA/Red.

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