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Morgen-Rüffel

Wie Claudia Stöckl ihre Gäste am Sonntagmorgen schon beim Frühstück grillt.
©privat

Diese Whatsapp-Nachricht kam für mich echt überraschend: Ö3-Urgestein Claudia Stöckl fragte mich am 10. August, ob ich trotz unserer „durchwachsenen“ Beziehung zu ihr einer Einladung zu ihrer Sendung „Frühstück bei mir“ folgen wolle. Ja, mit „durchwachsen“ hatte sie durchaus recht. 

Schließlich hatten Ekaterina und ich seinerzeit ihretwegen unsere eigene Hochzeitstorte verpasst. Stöckl führte ein nicht enden wollendes Ö3-Interview mit meiner Frau. Doch bei der „Medienhochzeit“ war unser Terminplan verdammt knapp. Während sich im Nebenzimmer die illustre Gästeschar über unsere köstliche Marzipan-Torte hermachte, von der wir beide leider kein einziges Stück abbekamen, unterlief meiner besseren Hälfte – die damals medial noch einigermaßen unerfahren und vertrauensselig war – leider ein gravierender Fehler: Sie wiederholte Stöckls letzte Frage. Garniert mit zwei anderen Untergriffen war das dann alles, was via Ö3 am nächsten Tag durch den Äther schwirrte. Katja sprach Stöckl nach. Und dabei kam in etwa heraus: „Welche Frau würde nicht gerne mit dem Rolls-Royce ins Schloss fahren oder einen vermögenden Mann heiraten…“ Alle anderen Stöckl-Fragen, von der Kindheit über unsere Liebesbeziehung bis zu den Impressionen vom glücklichsten Tag unseres Lebens, fielen der Schere zum Opfer. Ätsch – Pech gehabt. 

Ich merke mir solche Sachen. Und halte dann lieber Abstand zu so jemandem. Denn eine Hochzeit ist ja wohl nicht der geeignete Moment, das Brautpaar am schönsten Tag seines Lebens aufzublatteln. Also zögerte ich. Zweimal hatte ich schon das Vergnügen, die große Sonntagssendung mit Ö3 aufzunehmen. Einmal vor etlichen Jahrzehnten, als Rudi Klausnitzer meinen ersten Restaurantguide „Der Mucha“ featurete und – wohl vor allem wegen seiner Sendung „Leute“ am Sonntagvormittag – dann 47.000 Bände über den Ladentisch gingen. Zweiter Platz der Bestsellerliste. Nicht schlecht. 

Und dann hatte ich einige Jahrzehnte danach Robert Reumann ein Interview gegeben. Das nie erschienen war. Nach einigen Wochen fragt man dann nach, wiewohl es sich nicht schickt, Interviews „einzufordern“. „Nein“, meinte Reumann, „das wird nie erscheinen.“ Und auf meine Frage nach dem „Wieso“ begründete er dies mit dem erstaunlichen Satz: „Sie waren zu glatt. Teflon also.“ Gekommen wäre das sohin wohl nur, wenn ich in die Knie gegangen wäre…

Den Ausschlag, auf die Stöckl-Einladung dann schlussendlich doch zögerlich Ja zu sagen, gab ein Gespräch mit Christian Nusser, dem Heute-Chefredakteur. Was ich an ihm so schätze, ist, dass er einen messerscharfen Verstand hat. Und noch wichtiger: Er scheut sich nicht, mir die Wahrheit zu sagen. „Mach es“, riet er mir. „Die hat eine immense Reichweite. Du formulierst doch gut. Und musst eigentlich nur darauf hoffen, dass sie das sauber schneidet. Aber zu verlieren hast du eigentlich nichts.“ 

Am Freitag, dem 30. September, war es dann soweit. Stöckl, eine One-Woman-Show, die alles von der Aufnahme über die Tontechnik bis zum Schnitt alleine macht, zog alle Register, mich über drei Stunden und 40 Minuten verbal zu grillen. Ganz schön lange, anstrengend und stressig für einen müden 68-Jährigen.

Genau aus diesem Stoff waren meine Bedenken im Vorfeld gewesen. Ob Wolfgang Ambros, ob Skandalregisseur Paulus Manker, jüngst Mathea oder seinerzeit Markus Rogan – bei Stöckl muss man unweigerlich an den Westerntitel denken „Leichen pflastern ihren Weg.“ Und ich präsentiere mich nur äußerst ungern als Aas, das den zuhörenden Geiern vorgeworfen wird.

Wobei Stöckls Paradeschmäh längst von allen, die des medialen Sehens mächtig sind, durchschaut ist: Die Frau schafft es irgendwie, dass ihre Interviewpartner das Mikrofon vergessen. Und plötzlich erzählen die Dinge, die man selbst dem besten und verschwiegensten Freund nicht anvertrauen sollte. 

Auf Kontrollverlust, überbordende Offenheit und Sprechdiarrhoe folgen dann bei den solchermaßen Vorgeführten Skandale und (zu) späte Reue, garniert mit Frust und Wut. Die Moral von der Geschicht’: Stöckl macht gar nichts Schlimmes. Sie verfügt nur über dieses faszinierende Verhör-Talent von Inspektor Colombo. Wiederholt ohne Penetranz immer die gleichen Fragen, bis man dann beim vierten Mal die Antwort gibt, die garantiert für Unruhe sorgen wird. In der Vorankündigung der Sendung in der Kronen Zeitung brachte es dann Adabei Norman Schenz auf den Punkt. Er schrieb, dass ich bei der Beantwortung der Fragen keine Angst vor Stöckl, sondern nur vor mir selbst hatte. Ich konzentrierte mich auf die Angst vor mir selber, zu viel auszuplaudern und, redselig wie ich bin, mich selbst Beschädigendes verbal abzusondern.

Also haben meine Frau und ich uns einige Nächte der Vorbereitung um die Ohren geschlagen. Und ich habe mich darin geübt, dieselbe Antwort auf vier verschiedene Fragen, die in dieselbe Kerbe schlagen, zu geben. Dafür braucht man freilich starke Nerven.

Die beiden Nächte zwischen Freitag und Sonntag schlief ich schlecht. Mittlerweile wusste ich, dass 1.037.000 Hörer Stöckls Sonntags-Interview mitverfolgen. Ob beim Schnittlauchschneiden, in der Badewanne oder am Autoradio bei der Fahrt ins Grüne. Und dann die Überraschung: Jeder, der das elektronische Mediengeschäft nur halbwegs versteht, weiß, dass die Tücke beim Schneiden liegt. Eine brillant formulierte Antwort, die im ersten Satz zur Erheiterung des Hörers rotzig beginnt, macht dich unweigerlich zum Kotzbrocken, wenn nur dieser erste Satz ausgestrahlt und der Rest weggeschnitten wird. Doch Stöckl hat von Samstag 14 Uhr bis Sonntag zwei Uhr in der Früh, wie sie mir danach verriet, ihren Schneide-Job blitzsauber erledigt. Wiewohl ihre Fragen ordentlich unter die Haut gingen, hat sie jede meiner Antworten so elegant bearbeitet, dass das, was ich kommunizieren wollte, zu hundert Prozent klar wurde. Wer das nachhören will: Im Ö3-Blog unter unter sound.orf.at/podcast/oe3/fruehstueck-bei-mir/christian-mucha-2102022 gibt’s das Gespräch nochmal. Da sind freilich aus den 3:40 Stunden „Verhör“ nur mehr 37 Minuten reine Redezeit verblieben… 

Seit dem Stöckl-Interview hat ein Griss um meine Person eingesetzt, wie ich das in 48 Jahren in diesem Geschäft wohl noch nie erlebt habe. Von „Willkommen Österreich“ im ORF als Gast der unglaublich professionellen Eva Pölzl (das ist die einzige Sendung im ORF, wo jemand durch eine zweieinhalbstündige Livesendung ohne Versprecher, ohne Pannen, ohne Ach und Weh durchmoderiert) bis zu ungezählten anderen Medieneinladungen öffneten sich plötzlich Türen, die vormals verschlossen waren. Vielleicht habe ich bei der Stöckl ja doch die richtigen Antworten gegeben. Jedenfalls hat man mir attestiert, dass ich wahrhaftig, ehrlich und recht witzig geantwortet habe. Wenn man einmal von den rund 150 Impfgegnern absieht, die mich reflexartig über die sozialen Medien des ORF beschimpften, ohne die Sendung auch nur hören zu wollen oder gehört zu haben, war die Resonanz darauf positiv und ermutigend. Aber auch die paar Beschimpfungen nehme ich positiv. Denn im Vorjahr, als ich für eine Impfpflicht eintrat, waren das noch 6000. Viel ist nicht davon also nicht übrig geblieben…

Apropos übrig bleiben. Österreichs 414 Top-Promis wird wohl nichts anders übrig bleiben als – mehr oder weniger zähneknirschend – das Ergebnis unserer diesmaligen Titelgeschichte zu akzeptieren, zu verinnerlichen und damit zu leben. Und manch einer wird ordentlich daran kauen. Denn was kann man sagen, wenn man von 25 einflussreichen Society-Reportern gerankt wird. Wenn jene, die in TV, Radio, Print über einen berichten, die also höchst qualifiziert sind, ihr Urteil über die Prominenten fällen. Dreieinhalb Monate Vorarbeit waren nötig, um die Gesellschaftstiger davon zu überzeugen, da mitzumachen. Gemeinsam mit ihren schärfsten Konkurrenten eine Titelgeschichte für uns (und das noch dazu honorarfrei – vielen Dank dafür) zu komponieren, die wohl niemand außer mir zusammenbringt. Bei aller Bescheidenheit. Denn die meisten haben ihre Mitwirkung Ekaterina und mir zuliebe zugesichert, ein anderer kriegt das wohl nicht auf die Reihe. 

Nun, wer traurig oder verstimmt darüber ist, dass er weit hinten in unserer Liste rangiert, der mag sich damit trösten, dass der bekannteste Society-Film der Welt „Die oberen Zehntausend“ hieß. Wer es geschafft hat, in die ultimative Rankinglist zu kommen, der ist wenigstens mit dabei. Und wer es nicht geschafft hat? Ich schlage vor, Sie kaufen mein Buch „Wie man unverschämt reich und berühmt wird“. Da finden Sie nämlich eine Bedienungsanleitung, wie man es als unbekannter Fachzeitschriftenverleger gemeinsam mit einer Immigrantin schaffen kann, sich unter die Top 40 zu katapultieren…

Herzlichst Ihr

Christian W. Mucha

Herausgeber

P.S.: Da ja der Teufel bekanntlich nicht schläft, haben wir uns für allfälliges Unbill sorgfältig gewappnet. Alle Fragebögen wurden versiegelt und einem Notar überreicht. Im Falle eines Rechtsstreits, wo jemand meint, dass wir ihn punkte- und platzmäßig übervorteilt hätten, können wir in jedem Fall dank der Dokumentation den Beweis für die Wahrhaftigkeit seiner/ihrer Platzierung geben. Freilich würden wir die Einzelergebnisse, wie wir es den mitwirkenden Journalisten „bei unserer Ehr“ garantierten, auch auf juristischen Druck nicht preisgeben. Man nennt das Redaktionsgeheimnis. Schließlich sind die Promis die Klientel, von deren Wortspenden die Berichterstatter tagtäglich leben. Da kommt’s nicht gut, wenn jemand weiß, wer ihn liebt, wer ihn verachtet oder wer ihn schneidet.

P.P.S.: Apropos beliebt: Das höchste Lob, das man in diesem Leben wohl erhalten kann, ist das von den eigenen Konkurrenten und Mitbewerbern, die auf dem Medienmarkt um Reichweite buhlen. Eine Vielzahl der Journalisten, die bei uns mitgestimmt haben, erklärten sich auch bereit, ihre Kollegen zu bewerten. Denen, die am Stockerl gelandet sind, darf ich an dieser Stelle herzlich gratulieren. Den ersten Platz belegt Norman Schenz, der Adabei der Kronen Zeitung. An zweiter Stelle landete Sasa Schwarzjirg, Krone TV, den dritten Platz belegten ex aequo Marion Benda (ORF-Seitenblicke) und die ORF-Seitenblicke-Chefredakteurin Daniela Schimke. Wenn die von den Kollegen so hoch eingeschätzt werden – das ist schon eine ganz besondere Ehre für die Ausgezeichneten.

P.P.P.S.: Ganz besonders bedanken möchte ich mich bei eben diesen – Norman Schenz, Daniela Schimke, René Wastler und Nathalie Martens –, die sich der Mühe unterzogen, unsere Ausgangsliste zu überarbeiten, uns auf unzählige Fehler (Name falsch geschrieben, verstorben, weg vom Fenster, nicht austro-typisch) hinwiesen. Sollte uns dennoch der eine oder andere Fehler unterlaufen sein – der Dreckfuhlerteufel schläft nicht und Papier ist geduldig –, dann vergeben Sie uns bitte angesichts von über 36.000 eingepflegten Daten. Danke dafür.

Der Obige

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