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Journalistenbarometer: Zufriedenheit sinkt

Künstliche Intelligenz stellt Branche im Superwahljahr vor große Herausforderungen.
Pixabay

Journalisten kämpfen mit Fake News und Social Media

Hier sind es vor allem Fake News und Deep Fakes, die Anlass zu Sorgen geben. Jedoch herrscht in den Redaktionen nur ein überschaubarer Wille, sich an entsprechenden Aus- und Fortbildungen zu beteiligen, zeigt das aktuelle Journalistenbarometer. Auch die Bereitschaft, in Faktenchecks und Kontrollmechanismen zu investieren, scheint gering. Gleichzeitig herrscht Bewusstsein, dass ausländische Regierungen die bevorstehenden Wahlen auf EU- und Bundesebene beeinflussen werden. Politisch korrektes Framing in den Medien wird als problematischer Beitrag zur gesellschaftlichen Spaltung erkannt, dem man mit konstruktivem Journalismus begegnen möchte. In den bevorstehenden Wahlkämpfen werden soziale Medien, Fernsehen und Online-Portale journalistischer Herkunft die bestimmende Kraft sein, während selbst Medienmacher in den Abgesang auf Printmedien einstimmen.

„Die Zufriedenheit mit dem eigenen Job sinkt seit 20 Jahren und die Herausforderungen nehmen konsequent zu. Aktuellen Problemen ist sich der Journalismus bewusst, scheint ihnen aber wenig entgegenhalten zu können. Dem entspricht die Wahrnehmung des eigenen Images, die in den letzten Jahren signifikant gesunken ist. In der langjährigen Betrachtung zeigt sich zunehmende Unzufriedenheit. Sie hält Journalistinnen und Journalisten jedoch nicht davon ab, sich wieder für ihren Beruf zu entscheiden. Die Lage in den deutschsprachigen Redaktionen kann als durchaus ernst, aber bei weitem nicht hoffnungslos bezeichnet werden“, fasst Marketagent-Geschäftsführer Thomas Schwabl zusammen.

Im Superwahljahr erkennen mehr als neun von zehn befragten Journalisten eine Verantwortung der Medien zur Steigerung der politischen Partizipation, wobei der Wert in Österreich mit 94,8 Prozent die höchste Ausprägung erreicht. Journalistischen Medien wird eine hohe Kraft zugetraut, die Menschen für den Gang zur Wahlurne zu motivieren. Im deutschsprachigen Raum denken rund 85 Prozent der Medienschaffenden, dass sich ihre Arbeit positiv auf die Wahlbeteiligung auswirkt. 

Knapp die Hälfte der Journalisten geht davon aus, dass der Einfluss und die Bedeutung parteieigener Medien in den nächsten zwei bis drei Jahren steigen werden, während ihnen etwa ein knappes Drittel einen gleichbleibenden Stellenwert attestiert. 

Wahl-Unsicherheiten

Mehr als 85 Prozent meinen, dass ausländische Regierungen Einfluss auf die Wahl nehmen werden. Aufgrund der geopolitischen Unsicherheiten glauben 97 Prozent der Medienmacher, dass die Angst vor einem Krieg großen oder sehr großen Einfluss auf die Entscheidung bei der EU-Wahl haben wird. Auch bei der Bundestagswahl in Deutschland im Herbst 2025 sowie der Nationalratswahl in Österreich im September 2024 wird die Furcht vor einem Krieg ein bestimmender Faktor sein. Am meisten werten Medienschaffende aus der Schweiz die Angst vor einem Krieg für einen bestimmenden Faktor bei den bevorstehenden Wahlen.

Die Wahlkampf-Schlacht wird überwiegend in sozialen Medien ausgetragen werden. Darüber sind sich die Journalisten einig. 80 Prozent bewerten Social Media als dominierende Mediengattung in den Wahlkämpfen. Auf dem zweiten und dritten Platz landen Fernsehen und Nachrichtenportale sowie digitale Medienangebote journalistischer Herkunft, denen jeweils rund die Hälfte der Befragten eine entscheidende Rolle beimisst. Klassische Printmedien (zwölf Prozent), Radio und Podcasts (jeweils drei Prozent) werden im Wahlkampfgeschehen nicht ausschlaggebend sein und rangieren am unteren Ende der Bedeutungsskala.

„Globale Plattformen sind eine dominierende Gefahr, die mit ihren Algorithmen die Demokratie zersetzen. Ihr Geschäftsmodell basiert auf Polarisierung und Zuspitzung. Als Verbreitungskanal für Deep Fakes begünstigen sie Manipulation und Extremismus. Es zählt zu den elementaren Aufgaben etablierter Medien, über diese Gefahren aufzuklären und allen Meinungen sowie Weltanschauungen Raum zu bieten, um Menschen nicht in alternativen Faktenwelten zu verlieren“, kommentiert Alexander S. Khaelss-Khaelssberg, Managing Partner bei leisure communications, dieses Ergebnis.

Umgang mit Falsch-Nachrichten

95 Prozent der Journalisten sehen sich mit einer steigenden Anzahl an Fake News und Deep Fakes konfrontiert. Mehr als die Hälfte musste sich im beruflichen Kontext schon mit Deep Fakes auseinandersetzen. Bereits sieben Prozent erleben in ihrem Arbeitsalltag häufig Deep Fakes.

Zwei Drittel der Medienschaffenden trauen sich jedoch zu, aufgrund ihrer technischen und inhaltlichen Qualifikation Fake News zu erkennen. Ein Drittel meint sogar, Deep Fakes zu entlarven. 60 Prozent haben jedoch noch nie an einer Aus- oder Fortbildung zu Deep Fakes und Fake News teilgenommen. 22 Prozent haben immerhin eine fachspezifische Ausbildung absolviert. Nur acht Prozent bilden sich konsequent fort und können auf mehr als zwei Aus- oder Fortbildungen verweisen.

Neun von zehn Journalisten sehen einen steigenden Bedarf im Bereich Faktencheck in naher Zukunft von zwei bis drei Jahren. Die Faktencheck-Kontrollmechanismen im eigenen Medienunternehmen erachtet rund die Hälfte für gut und sehr gut. Unzufrieden mit den hausinternen Kontrollmechanismen sind knapp 20 Prozent, wobei der Wert in Deutschland die höchste Ausprägung erreicht.

Spaltung

85 Prozent sind der Meinung, auch bei polarisierenden Themen wie etwa Klimawandel, Migration oder geopolitische Konflikte immer ausgewogen und neutral zu berichten. Am wenigsten ist man in Deutschland (82,5 Prozent) und am meisten in der Schweiz (93,3 Prozent) dieser Ansicht. Nur rund 15 Prozent gestehen ein, nicht immer die nötige Distanz zu einem Thema zu wahren.

Gute zwei Drittel sind sich bewusst, dass politisch korrektes Framing die Gesellschaft spaltet. Aktuell zeigt sich das unter anderem an der inflationären Verwendung des Begriffs Aktivist, der Wokeness-Diskussion oder der Debatte über Genderschreibweisen beziehungsweise den aktuellen Verboten in Bayern oder dem österreichischen Bundeskanzleramt. Konstruktiven Journalismus erachten mehr als acht von zehn Befragten als Mittel, um der gesellschaftlichen Polarisierung entgegenzuwirken.

Image

Nur 15 Prozent glauben, dass Journalisten in der Öffentlichkeit ein gutes oder sehr gutes Image genießen. Zwei Drittel nehmen das Image des Journalisten als eher schlecht oder sehr schlecht war. 

Dementsprechend sieht man auch die Arbeitsbedingungen immer kritischer. 85 Prozent meinen, diese hätten sich in jüngerer Vergangenheit leicht oder spürbar verschlechtert. Auch mit der Bezahlung sind die Medienschaffenden wesentlich unzufriedener als vor 20 Jahren, als sich noch knapp mehr als die Hälfte mit dem eigenen Salär zufrieden zeigte. Heute sind es nur mehr 45 Prozent, wobei sich dieser Wert seit 2019 wieder leicht aufwärtsbewegt. 

Das Journalistenbarometer wurde von Marketagent in Zusammenarbeit mit leisure communications erstellt. Dafür wurden im März 358 Journalisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt. 58 Prozent der Umfrageteilnehmer stammen aus Deutschland, 22 Prozent aus Österreich und 21 Prozent aus der Schweiz.

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