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Die Leiden des Robert Kratky

Im Folgenden geht’s um Robert Kratky. Und – das ist kein Interview. Und nicht autorisiert. Aber echt, wahrhaftig und es zeigt die Befindlichkeit von jemandem, der über die Neid-Debatte ORF-Gehälter betroffen und verletzt ist. Weshalb ich (nach reiflicher Überlegung) beschlossen habe, die Inhalte eines sehr persönlichen Gesprächs öffentlich zu machen. Von Christian W. Mucha
© Andreas Tischler / picturedesk.com

Beantwortete hunderte Hater-Mails persönlich – Robert Kratky

ExtraDienst Exklusiv – Exzerpt eines persönlichen Gespräches (kein Interview)

Jetzt steht’s fest – und dafür hat er sich entschieden (definitiv und endgültig). Dass Robert Kratky sich nicht öffentlich zur Gehalts-Debatte der ORF-Topverdiener und vor allem zu seiner persönlichen Position äußern wird. Der Ö3-Star hatte, wie ich in Erfahrung bringen konnte, dutzende Interview-Anfragen abgeschmettert. Und also wird es zu einem Thema, das medial breitenwirksam abgehandelt wurde, wohl – wenn man ihm glauben darf – keinen O-Ton Kratkys geben.

Keinen? Nun, mit mir hat Kratky ein ausführliches – durchaus persönliches – Gespräch in dieser Causa geführt. Und mir sein Herz geöffnet. Doch das geschah – und das muss aus Gründen der journalistischen Anständigkeit ganz deutlich hervorgestrichen werden – in zwei sehr offen geführten Telefonaten, die freilich keinesfalls als „Interview“ verstanden werden dürfen. Weshalb Sie in dieser Story auch kein einziges Anführungszeichen, was Kratky betrifft, finden. Dass ich mir freilich nichts davon aus meinen Fingern gezogen habe, dass das echt und authentisch ist – darauf mein Wort. Bei meiner Ehr‘.

Also: Am 17. April dieser – durchaus überraschende – Anruf. Robert Kratky ist am Apparat. Er wolle sich bei mir bedanken. Er habe das für sehr ausgewogen formuliert gehalten, es stimme auch in der Sache und es sei quasi Balsam auf seine Wunden gewesen, dass ich ihm auf ORF III mit ausgewogenen Argumenten zur Seite gestanden hatte. Und – er sei ebenso gerührt gewesen, dass Seiler & Speer, die zu den wichtigsten Musik-Stars in Österreich gehörten, sich detto gegen eine Neid-Debatte öffentlich geäußert hätten. Und ihn unterstützt hätten. Danach erfahre ich haarklein, wie es ihm in den letzten Wochen ergangen ist. Ziemlich schlecht. Ich bin durchaus überrascht über den Anruf, denn der Ö3-Wecker-Moderator hatte nur einige vagen Andeutungen zu dieser Causa in seinen Sozialen Medien gemacht. Dass er einiges klarstellen werde. Aber ansonsten jedes Interview, jedes Gespräch bis dato verweigert.

Wohl mit gutem Grund, wie auch Ö3-Chef Michael Pauser zugibt: Es gebe Themen, da sei es nicht gerade förderlich, damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Und eine sowieso kontraproduktive Diskussion öffentlich zu befeuern.

Ins selbe Horn stößt auch ORF-Generaldirektor Roland Weißmann: Am Wochenende des 6. und 7. Aprils war die Story mit den ORF-Gehältern durch alle Medien gegangen. Roland Weißmann hatte allen großen Tageszeitungen Interviews gegeben. Seine Position dargelegt. Und den ORF verteidigt. Am Montag drauf, dem 8. April, tauschte ich mich mit Weißmann darüber aus. Der (knapp und leicht angefressen): „Jede Story über den ORF ist negativ. Das muss man nehmen. Abputzen hilft wenig. Ich hoffe, die Diskussion ist jetzt mal aus…“ Anspielend auf seine eigenen Interviews. Was ich mit einem grinsenden Smiley und dem Text riposte: „Diese Diskussion geht wohl bis zur Nationalratswahl im Herbst weiter. Darauf verwette ich mein Jahresgehalt.“ Und ergänze: „Darauf kannst du Gift nehmen.“ Weißmanns Retour-Meldung: „Ja eh! Vermutlich hast recht…“

Denn das Ganze startete mit etwas, was viele Insider in der Branche als Rache-Akt gegen den Österreichischen Rundfunk von Seiten der Medienministerin Susanne Raab sehen. Und ist nun zum Rohrkrepierer für deren ÖVP geworden. Die Offenlegungspflicht der ORF-Spitzengehälter ist Wasser auf den Mühlen, vor allem des wichtigsten politischen Gegners der Österreichischen Volkspartei: Der FPÖ und Herbert Kickl

Und der spielt mittlerweile (vierhändig) – verstärkt durch Neo-Stiftungsrat Peter Westenthaler, der sich in der ORF-Diskussion gar anspeibt – auf diesem Klavier.

Das Klavier nicht bedienen wird Robert Kratky. An dem ist die Affäre freilich nicht ohne Spuren vorübergegangen. Er habe hunderte Attacken, Anwürfe, Hass-Mails und -Kommentare höchstpersönlich beantwortet. Jeden Einzelnen. Das sei ihm nicht leicht gefallen.

Zum Gegenangebot zum ORF-Job der Österreich-Gruppe recherchiere ich, dass es da wohl um einiges mehr als nur 500.000 Euro gegangen ist. Nämlich um rund drei Millionen für etliche Jahre. Wobei alleine an Anwaltskosten tausende Euro angefallen seien, um die entsprechenden Vertragsvorschläge zu prüfen. Was von Kratky schlussendlich – denn er blieb bei Ö3 – dann doch nicht realisiert wurde. Es sei, so erklärt er mir, ethisch wohl nicht in Ordnung gewesen, in Verhandlungen einzutreten, wenn man einen aufrechten und intakten Vertrag mit dem Österreichischen Rundfunk habe. Und wenn es in irgendeiner Form darauf hinausliefe, dass dieser Vertrag nicht erfüllt werden könnte, wenn er bei Radio Austria angeheuert hätte. Das sei nach seinem Dafürhalten ethisch nicht in Ordnung gewesen.

Bei der Nachrecherche ergibt sich dann, dass es stundenlange Verhandlungen zwischen dem damaligen ORF-Generaldirektor Dr. Alexander Wrabetz und Kratky gegeben habe, wo der Ex-ORF-General nachhaltig darauf gedrängt habe, dass Kratky Ö3 erhalten bliebe.

Wrabetz will sich zu diesem Thema – no na – nicht äußern. Aber ein Statement kann ich dem ORF-General dann doch entlocken. Denn als ich mit Kratky im persönlichen Gespräch über die Themen „Leistung“ und der „Gesellschaft etwas zurückgeben“ spreche, brechen die Emotionen aus dem Radio-Star heraus: Man habe mit Ö3 über 30 Millionen in den letzten zehn Jahren gesammelt. Und auch er habe selber sehr viel dazu beigetragen. Auch aus seiner eigenen Tasche viel gespendet. Wrabetz dazu: „Robert Kratky war der, der das ‚Ö3 Weihnachtswunder‘ maßgeblich gestaltet hat. Das war immerhin die größte Einzelaktion von Licht ins Dunkel. Vor allem dank seinem Bemühen.“ Und – Ö3, das weiß man in der Medienbranche, ist die Cash Cow des ORF. Erwirtschaftet 54 Millionen an Werbegeldern jährlich. Was rund ein Drittel mehr ist als das, was etwa im Kurier-Verlagshaus an Werbegeld jährlich bei der Tür hereinkommt. Nur, um die Dinge in die richtige Relation zu setzen. Das Highlight von Ö3 ist der „Ö3 Wecker“. Den Kratky maßgeblich mit seinem Namen, seiner Stimme und seiner Kreativität prägt.

Womit – schon aus faktischen Gründen – eine „Wos is mei Leistung?“-Diskussion überflüssig und entbehrlich ist. Weil, wenn er nur ein paar Millionen im Jahr Kraft seines Auftretens generiert hat, dann ist er seine 444.000 Euro wahrhaftig wert. Aber: Das ist Österreich. Hier schwappen die Emotionen hoch, wenn‘s um Neid geht. Eine alte Geschichte fällt mir da ein: Wenn in Hollywood ein Mercedes Cabrio durch eine Schmutzwasser-Lacke fährt und jemand angespritzt wird, dann denkt sich der: „Super, irgendwann einmal werd‘ ich auch so ein tolles Sportauto fahren!“ Und wenn das in Österreich passiert, dann schreit der g’lernte Österreicher: „Irgendwann amol geh’st a wieder z’fuaß – so wie i!“

Für Kratky stellte sich die Situation dieser Tage durchaus schwierig dar. Der ORF habe seinerzeit seine Gage um rund 100.000 Euro nachjustiert. Im Jahr. Bis Ende 2026, wenn sein Vertrag ausläuft. Um Kratky Sicherheit zu geben. Dass er im Alter nicht plötzlich dastehe und nicht wisse, wovon er leben solle. Er habe ja de facto von seinen rund 30 Jahren im Beruf (Kratky ist 50 Jahre alt) nur rund zehn bis 15 gute Jahre. In diesen Jahren müsse er sein Haus abzahlen. Ja, und Veranstaltungen mache er so gut wie keine mehr. Auf seinen Werbevertrag mit der Sorger Wurst- und Schinkenspezialitäten GmbH angesprochen reagiert er eher unrund. Das entscheide sich demnächst. Es gehe ja darum, dass die Abwehr eines Shitstorms mehr Ressourcen für einen Werbepartner brauche, als dem dann die Werbung brächte. Ob er jemals wieder einen Werbevertrag unterschreiben könne, sei genauso fraglich, wie, ob er jemals wieder irgendwen bitten könne, etwas zu spenden…

Was Kratky danach machen wolle, weiß er wohl selbst noch nicht. Jedenfalls hat er bereits bei Barbara Stöckl im Interview angekündigt, dass er nach Auslaufen seinen Vertrag nicht verlängern werde. Irgendwie mache ich mir keine Sorgen über den Kratky. Dem fällt schon was ein.

Doch irgendwie ist die ganze Diskussion nicht ausgewogen und gerecht. Denn warum nur die obere Etage ihre Spitzen-Gagen offenlegen muss und die anderen nicht, muss man sich schon fragen. Und warum beim ORF all jene, die nicht angestellt sind oder indirekte Verträge haben (sprich über Firmen abrechnen), ihre Gagen nicht bekannt geben müssen, von Armin Assinger über Claudia Stöckl bis zu Vera Russwurm (deren Vertrag ja jüngst ausgelaufen ist und die über die Produktionsfirma Hofpower ihres Mannes abgerechnet hat), könnte man schon hinterfragen.

Alles in allem – ein sehr emotionsgeladenes, sehr persönliches, sehr offenes Gespräch, das ich da führen durfte. Und das natürlich kein Interview ist, aber aufgrund der Faktenlage doch all jene interessieren sollte, die an einer wahrhaftigen Bewertung dieser Situation ehrliches Interesse haben. Ohne sich jetzt als „Hater“ oder „Neider“ öffentlich auszukotzen. Deswegen meine Bitte: Anerkennen wir doch Leistung. Und hören wir doch auf, jene, die einen engagierten, erfolgreichen Job machen, mit unserem Neid zu überziehen. Eins steht freilich auch fest, wie mir Kratky am Schluss unseres Gesprächs verrät: Er wolle nicht mehr um 3:30 Uhr aufstehen.

Da geht’s ihm besser als einem Bäcker, der 1.700 Euro verdient. Und das bis an sein Lebensende machen muss. Den kann ich durchaus verstehen, wenn er „nicht gerade erfreut“ darauf reagiert, wenn er von 444.000 Euro ORF-Gagen hört. Und dazu müssen meine letzten Sätze in dieser Causa unbedingt auch gesagt werden: In diesen Bereichen, in der Pflege, in der Ausbildung, im Gesundheits- und im Dienstleistungsbereich zahlen wir so sauschlecht hierzulande, dass es eine Riesen-Schande ist. Und vielleicht trägt ja die hochaufgeregte Diskussion um die Spitzen-Gehälter und die daraus folgende Transparenz dazu bei, dass wir auch dort, am unteren Ende der Gehaltsskala, wo erbärmlich schlechte Gehälter bezahlt werden, nachjustieren. Im Sinne einer besseren, ausgewogeneren Honorierung von Wert und Preis…

Christian W. Mucha

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