Drehflaute in Kalifornien sorgt für Proteste
Produktionen wandern ab, Arbeitsplätze gehen verloren, und das Vertrauen in den Standort sinkt.

Los Angeles galt jahrzehntelang als unangefochtenes Zentrum der Film- und Fernsehproduktion – doch diese Vormachtstellung gerät zunehmend ins Wanken. Die Bewegung „Make Hollywood Hollywood Again“, die Anfang April mit hunderten Filmschaffenden in Kalifornien auf die Straße ging, ist Ausdruck einer wachsenden Sorge innerhalb der Branche: Produktionen wandern ab, Arbeitsplätze gehen verloren, und das Vertrauen in den Standort sinkt. Die Ursachen sind vielfältig – und sie reichen weit über kurzfristige Entwicklungen hinaus.
Politische Trägheit
Ein zentraler Kritikpunkt der Demonstrierenden betrifft die steuerlichen Rahmenbedingungen in Kalifornien. Während Bundesstaaten wie Georgia, New Mexico oder Texas in den vergangenen Jahren massive Produktionsanreize schufen, blieben vergleichbare Fördermaßnahmen in Kalifornien aus oder waren zu wenig wettbewerbsfähig. Zwar existiert ein Steuervergünstigungsprogramm in Höhe von jährlich rund 330 Millionen Dollar, doch es gilt als aufwendig und unflexibel.
Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom kündigte kürzlich eine Ausweitung auf 750 Millionen Dollar an – ein Schritt, den viele in der Branche als überfällig betrachten. Der politische Stillstand der letzten Jahre habe, so die Kritik, dazu geführt, dass Los Angeles als Produktionsstandort zunehmend an Attraktivität eingebüßt habe.
Nachwirkungen der Pandemie
Hinzu kommen die Folgen der Corona-Pandemie. Während andere Bundesstaaten rasch wieder in Produktion gingen, blieb Kalifornien vorsichtiger – mit längeren Stillständen und Verzögerungen. Die Branche hat sich davon bis heute nicht vollständig erholt. Produktionsketten wurden neu organisiert, Budgets gekürzt und Teams umstrukturiert – oft nicht zugunsten der kalifornischen Infrastruktur.
Anti-Blockbuster
Ein weiterer, weniger offen diskutierter Aspekt betrifft die Inhalte selbst. Viele in der Branche sprechen hinter vorgehaltener Hand davon, dass stark politisierte, oft moralisierende Drehbücher zunehmend das Publikum verfehlen. Kritiker sehen darin eine inhaltliche Verengung, die nicht nur liberale Kinogänger, sondern auch breite Publikumsschichten entfremdet. Während früher Blockbuster vor allem durch universelle Erzählungen überzeugten, habe sich die Dramaturgie vieler neuer Produktionen in Richtung Debattenplattform verschoben – mit sinkender Zugkraft an den Kinokassen.
Ausnahmen bestätigen die Regel. Der Film „Barbie“ etwa aus dem Jahr 2023 war ein kommerzieller Erfolg. Die Trendfarbe des Jahres – laut Farbinstitut Pantone – ging Viva Magenta einher. Barbie zählte 2023 zu den erfolgreichsten Filmen – sowohl in den USA als auch international. Alle Medien waren sich einig, dass dieser Film großartig sei. Ein programmierter Erfolg.
Ungelöste KI-Frage
Ein zukunftsentscheidender Unsicherheitsfaktor kommt aus dem technologischen Wandel. Künstliche Intelligenz verändert die Produktionsprozesse rasant: Stimmen, Gesichter und Performances lassen sich inzwischen mit erstaunlicher Präzision synthetisch erzeugen – ein Szenario, das tiefgreifende Auswirkungen auf Schauspieler, Synchronsprecher und kreative Berufe haben könnte.
Einige Akteure – darunter Stars wie Scarlett Johansson oder Keanu Reeves – haben bereits Vorkehrungen getroffen, um ihre Persönlichkeitsrechte gegen unautorisierte Nutzung zu schützen. Gleichzeitig entstehen Geschäftsmodelle, in denen Persönlichkeitsrechte oder ganze „Digital Twins“ vertraglich verwertet werden – ähnlich wie bei Musikkatalogverkäufen. Die Nutznießer sind dabei oft nicht die Künstler selbst, sondern die Rechteverwerter im Hintergrund.
Gewerkschaften wie SAG-AFTRA haben zwar Vereinbarungen zur KI-Nutzung getroffen, doch Branchenkenner bezweifeln, dass sie langfristig verhindern können, dass große Konzerne die Kontrolle über digitale Identitäten übernehmen.
Mehr als eine Standortfrage
Die aktuelle Drehflaute in Kalifornien ist das Ergebnis vieler Faktoren: Seien es wirtschaftliche Rahmenbedingungen, politische Untätigkeit, pandemiebedingte Fehler und – man darf es ruhig sagen – das heruntergekommene Image des Golden State mitsamt eines Teils der Hollywood-Elite. Gleichzeitig steht die Branche an einem technologischen Wendepunkt: Digitale Produktionsmethoden und Künstliche Intelligenz könnten klassische Schauspielerrollen, reale Sets und ganze Produktionsorte in naher Zukunft ersetzen. Studios mit Green Screens lassen sich heute überall auf der Welt errichten – nicht nur in Los Angeles.
(red)