Wiener Straßenzeitung “Augustin” wird 30
Drei Jahrzehnte Straßenjournalismus – das Wien Museum zeigt ihre Geschichte, ihr Modell und ihre Community.

„Augustin! Neuer Augustin!“ – dieser Ruf prägt seit Oktober 1995 das Stadtbild Wiens. Mit der selbsternannten „ersten österreichischen Boulevardzeitung“ etablierte sich nicht nur ein Medium für soziale Randgruppen, sondern auch ein Modell, das bis heute einzigartig bleibt: Die Zeitung wird von den Verkäufer:innen in Kommission bezogen: Sie erhalten jedes Exemplar zu einem reduzierten Preis und dürfen die Differenz beim Straßenverkauf als Einkommen behalten. Für manche wurde dieses Modell zur dauerhaften Lebensgrundlage, für andere zur Übergangslösung – eine Möglichkeit, durch Zeitungsverkauf ein selbstbestimmtes Einkommen zu erzielen.
Konzept und Vorreiterrolle
Der Augustin war Vorreiter für Straßenzeitungen in Österreich – und ein Pionier darin, gesellschaftliche Fragen mit publizistischer Kraft zu verbinden. Er machte sichtbar, was sonst oft im Verborgenen blieb: Armut, Ausgrenzung, prekäres Leben. Zugleich öffnete er seine Seiten für prominente Gastbeiträge: So lieferten u. a. Elfriede Jelinek, Michael Köhlmeier oder Ernst Molden Texte, die der Zeitung kulturelles Gewicht verliehen und sie über den unmittelbaren Straßenverkauf hinaus bekannt machten.
Ein Blick zurück – und nach vorn
Die Ausstellung im Wien Museum (18. September bis 23. November 2025) erzählt von dieser doppelten Dimension – Sozialprojekt und publizistische Plattform. Sie zeigt ikonische Cover, dokumentiert den Verein hinter der Zeitung und rückt vor allem die Verkäufer:innen in den Mittelpunkt. Ihre Geschichten machen deutlich, warum der Augustin aus Wien nicht wegzudenken ist.
Ausstellung als Zeitdokument
Kuratiert von Henrie Dennis, Oke Fijal und Claudia Poppe, bietet die Schau nicht nur einen historischen Rückblick, sondern auch eine Würdigung des Netzwerks aus Sozialarbeiter:innen, Autor:innen und Leser:innen, das den Augustin seit drei Jahrzehnten trägt. So wird ein Stück Wiener Stadtgeschichte sichtbar, das dem Boulevard-Journalismus den Spiegel vorhielt.

18. September – 23. November 2025
Wien Museum
(PA/red)
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