Anzeige

Selbstkontrolle der Medien: Kritik ohne Konsequenzen

Presserat rügt Ethikverstöße von Boulevardmedien, Ausrutscher von Qualitätsmedien und wirtschaftlich motivierte Beschwerden.

28.04.2025 14:27
Redaktion
© LUKAS WODICKA
Presserat-Geschäftsführer Alexander Warzilek.

Der österreichische Presserat hat seinen Jahresbericht 2024 präsentiert: Mit 426 behandelten Fällen und 27 festgestellten Ethikverstößen liegt die Zahl über dem Vorjahr (20 Verstöße), bleibt aber laut Presserat im „langjährigen Mittel“. Besonders auffällig sind einmal mehr Boulevardmedien – allen voran die „Kronen Zeitung“ und „oe24“ – doch auch Qualitätsmedien geraten zunehmend in den Fokus. Die Diskussion über den Fall Lena Schilling zeigt: Selbst Medien mit „weißer Weste“ sind nicht unangreifbar.

Der Boulevard dominiert

Mit acht Verstößen bei 66 Beschwerden führt die „Krone“ die Statistik der Ethikverstöße an. Dicht gefolgt von „oe24“ mit sieben Verstößen. Überraschend ist, dass auch „Mein Bezirk“, ein Regionalmedium, gleich dreimal gerügt wurde – ein Hinweis darauf, dass ethische Standards nicht nur in großen Redaktionen missachtet werden. Auch das Gratisblatt „Heute“ sowie das Nachrichtenmagazin „News“ mussten sich 2024 jeweils zweimal rügen lassen.

Ein prominenter Ausrutscher

Ein besonderes Echo fand 2024 der einzige Verstoß des „Standard“, der allerdings umso mehr diskutiert wurde. Die Zeitung hatte im Vorfeld der EU-Wahl anonymisierte Vorwürfe gegen Lena Schilling veröffentlicht. Der Presserat stellte klar: Während Teile der Berichterstattung in Ordnung gewesen seien, habe es Wertungen und Meinungen ohne ausreichenden Bezug zu konkreten Vorfällen gegeben. Auch die Anonymisierung wertete der Presserat als unzureichend. Der Fall wurde in Medienkreisen breit diskutiert.

Presserat-Geschäftsführer Alexander Warzilek kommentierte diesen Vorfall mit dem Hinweis, dass es sich um eine Ausnahme handle: „Der Standard hat eine recht weiße Weste.“ Er betonte aber auch: „Wir hoffen, dass unsere Entscheidungen ein Ausgangspunkt für Diskussionen sind.“

Unternehmen wehren sich

Ein weiteres Thema: Beschwerden durch Unternehmen, die sich gegen kritische Berichterstattung richten. So versuchte etwa der Pflegeheimbetreiber Senecura, gegen einen Bericht von „Dossier“ vorzugehen, in dem es um den Tod einer Bewohnerin ging. Der Presserat wies die Beschwerde ab – die Recherchen waren korrekt, und Senecura hatte die Möglichkeit zur Stellungnahme. Warzilek verwies dabei auf einen wachsenden Trend: Organisationen würden zunehmend versuchen, Druck auszuüben. Im Fall Senecura sei „mehrfach nachgefragt“ worden, wann mit einer Entscheidung zu rechnen sei.

Christa Zöchling, Mitglied des Senats 3, sprach zudem von einem Trend zu irreführenden Überschriften – speziell im Zusammenhang mit „ZiB2“-Moderator Armin Wolf. Auch hier sei Clickbait ein Thema, das sich verstärkt zeige. Positiv hingegen: Unverpixelte Opferfotos seien im Boulevard rückläufig, wohl als Ergebnis konsequenter Rügen in den letzten Jahren.

Selbstkontrolle mit Grenzen

Während der Boulevard regelmäßig Verstöße produziert, geraten auch Qualitätsmedien ins Visier. Der Presserat agiert hier als moderierende Instanz und demonstriert seine Rolle als Wahrer der Medienethik. Nun wird sogar über eine mögliche Ausweitung auf reine Onlinemedien diskutiert.

Die Selbstkontrolle der Medien dokumentiert Fehler, aber sie verändert nichts. Boulevardmedien kalkulieren Verstöße ein, Qualitätsmedien relativieren sie. Unternehmen lernen derweil, wie weit sie gehen können. Der Presserat tadelt Missstände, aber er beseitigt sie nicht.

Die Ausweitung auf Onlinemedien würde noch mehr Verstöße zutage fördern. Doch solange es keine verbindlichen Sanktionen gibt, bleibt Selbstkontrolle das, was sie immer war: eine selbstauferlegte Übung, die man sich zur Pflicht gemacht hat. Und wer sich selbst rügt, der verzeiht sich auch gern.

(red)

Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Beitrag teilen

Das könnte Sie auch interessieren