Radio Freies Europa: 75 Jahre sind genug
Der umstrittene US-Präsident Donald Trump will dem traditionsreichen Nachkriegssender die Mittel streichen.

Es begann mit „Barbara“, einem mobilen Studio auf sieben Lastwagen im hessischen Lampertheim. Von dort aus wurde am 4. Juli 1950 erstmals eine halbstündige Sendung ausgestrahlt – adressiert an Hörerinnen und Hörer in der Tschechoslowakei, weit hinter dem Eisernen Vorhang. Seither hat sich Radio Freies Europa zu einer Stimme der Meinungsfreiheit in autoritären Staaten entwickelt. Nun, zum 75. Jubiläum, steht der Sender vor dem Aus.
Kahlschlag der Belegschaft
Die aktuelle US-Regierung unter Donald Trump versucht, dem traditionsreichen Auslandssender den Geldhahn zuzudrehen – ungeachtet parlamentarisch genehmigter Mittel. Sprecherin Rowan Humphries bestätigt: Trotz laufendem Betrieb aller Fremdsprachendienste musste RFE/RL bereits festangestellte Mitarbeitende kündigen und freie Verträge auflösen. Programme wurden gekürzt. Monatlich müssen gerichtliche Verfügungen erwirkt werden, um überhaupt an genehmigte Gelder zu gelangen. Das US-Haushaltsjahr endet mit September – was danach kommt, ist offen.
Dass Elon Musk kürzlich lakonisch twitterte „Yes, shut them down“, lässt nichts Gutes erahnen.
Erinnerungen an 1989
In den 1980er-Jahren galt Radio Freies Europa als Rückgrat westlicher „Soft Power“ gegenüber dem Ostblock. Petr Brod, früherer Mitarbeiter, erinnert sich an Sendungen für Bauern, Studierende und Dissidenten gleichermaßen – mit Interviews, Musiktiteln und politischen Botschaften, die teils auch Persönlichkeiten wie Vaclav Havel direkt einlieferten. Die politische Linie kam aus Washington, doch inhaltlich agierte man relativ frei. Der Einfluss: beträchtlich.
Heute, über 35 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, ist der Bedarf an unabhängiger Information nicht kleiner geworden. Die Aggression Russlands, Repression im Iran oder die Lage in Belarus zeigen, wie dringend glaubwürdige Medien gebraucht werden – dort, wo staatlich gelenkte Propaganda dominiert.
Europa will retten
In Prag will man das Projekt nicht kampflos aufgeben. Die tschechische Regierung setzt sich bei der EU für eine Übernahme der Finanzierung ein. Brüssel reagierte bereits mit 5,5 Millionen Euro. Schweden und die Niederlande stockten um weitere 4,8 Millionen auf. Doch verglichen mit dem bisherigen Jahresetat von rund 120 Millionen Dollar bleibt das eine Geste, keine Lösung.
Brod glaubt nicht an ein europäisches Auffangnetz: „Warum sollten Länder wie Portugal oder Malta für Sendungen nach Kasachstan zahlen?“ Die Spaltung Europas in Kern- und Randinteressen könnte hier zur entscheidenden Hürde werden.
Symbol einer Ära
Die Geschichte von Radio Freies Europa ist auch eine Geschichte politischer Spannungen und persönlicher Risiken: Bombenanschläge, Attentate, versuchte Vergiftungen – all das gehörte zur Realität der Mitarbeitenden. Ein Mahnmal im Prager Funkhaus erinnert an getötete Kolleginnen und Kollegen.
Heute, 75 Jahre nach der ersten Ausstrahlung, kämpft der Sender ums Überleben. Und vielleicht auch um seine Bedeutung. Viele fragen sich: Ist ein Medium wie dieses noch zeitgemäß? Oder braucht es heute neue Wege, um Menschen in unfreien Gesellschaften zu erreichen?
Eins ist klar: Die Idee hinter Radio Freies Europa bleibt wichtig. Aber der Sender ist ein Kind des Kalten Krieges. Heute braucht Europa andere Mittel, um für Freiheit und Wahrheit einzustehen. 75 Jahre sind genug. Jetzt ist Zeit für etwas Neues.
(APA/red)