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Pressestimmen zum Freispruch im Prozess um Journalistenmord

"Hospodarske noviny": Vertrauen in slowakische Justiz erschüttert - "Sme": Dieses Urteil muss wenigstens gut erklärt werden - "Pravda": Das Gericht hat ein sehr zweifelhaftes Urteil gefällt
©unsplash

Internationale Tageszeitungen kommentieren das überraschende Urteil im Journalistenmordprozess in der Slowakei, bei dem der als Drahtzieher verdächtigte Hauptangeklagte Marian Kocner freigesprochen, aber seine Mitangeklagte Alena Z. verurteilt wurde, am Montag wie folgt:

“Hospodarske noviny” (Prag):

“Statt dass das Vertrauen in die Justiz wiederhergestellt worden wäre, wird die Arbeit der Polizisten und Richter in der Slowakei weniger als ein halbes Jahr vor vorgezogenen Wahlen erneut zu einem sensiblen politischen Thema. (…) Selbstverständlich können Gerichte niemanden nur deshalb ins Gefängnis schicken, weil sich Journalisten das wünschen. Doch die Slowakei ist kein Land, in dem gänzlich normale Bedingungen herrschen und sich über rechtliche Nuancen streiten ließe.

Die Parlamentswahl Ende September wird darüber entscheiden, ob die Slowakei zu einem neuen Ungarn wird. In Budapest legt der dortige Herrscher Viktor Orban das Recht und die Prinzipien des Rechtsstaats auf sehr eigenwillige Art aus. Wenn in der Slowakei Ex-Ministerpräsident Robert Fico mit der Unterstützung radikaler Nationalisten an die Macht kommen sollte, dürften die bereits angeschlagenen demokratischen Institutionen des Landes wirklich in sich zusammenfallen. Es steht also viel auf dem Spiel.”

“Sme” (Bratislava):

“Kocner ist also freigesprochen, Z. schuldig. Wir werden hier nie verlangen, dass Gerichte nach dem Wunsch und den Bedürfnissen der Öffentlichkeit urteilen. Was aber verlangt werden kann, ist eine solche Begründung des Urteils, die sich verstehen lässt und mit der man sich identifizieren kann. Natürlich liegt die Urteilsbegründung noch nicht schriftlich vor. Aber über das, was das Gericht mündlich verlesen hat, lässt sich sagen, dass es nicht zu verstehen ist und dass man sich damit nicht identifizieren kann.

Die Kombination Freispruch für Kocner und Verurteilung von Z. ergibt überhaupt keinen Sinn. Auch wenn sich der Öffentlichkeit die Theorie anbot, die als Kocners Lockvogel tätige Frau habe sich aus eigenem Antrieb um ihren Gönner gekümmert, bedeutet das wohl eine außerordentlich eigenartige Bewertung mehrerer Beweise.”

“Pravda” (Bratislava):

“Das Vertrauen der Bürger in die Justiz hat einen neuerlichen Schlag bekommen. Während die existenziell von den finanziellen Zuwendungen Marian Kocners abhängige Alena Z. schuldig gesprochen wurde, den Mord an Jan Kuciak bestellt zu haben, hat das Gericht ihn nicht für schuldig befunden. Was soll man als Bürger davon halten? Dieses Urteil ist trotz der Begründung des Gerichts schwer zu begreifen. In seiner Argumentation stützt sich das Gericht zum Beispiel darauf, dass Z. Kuciak aus eigenem Antrieb umbringen lassen konnte, ohne mit Kocner zusammenzuarbeiten. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs an Zweifelhaftigkeiten. (…)

In der Theorie gilt der Grundsatz “Im Zweifel für den Angeklagten”. Nach dem ersten Urteil (Anm.: im September 2020) ließ sich noch verstehen, dass der Druck der Öffentlichkeit und die vorliegenden Beweise nicht für eine Verurteilung Kocners ausreichten. Wenn das Spezialgericht aber auch nach der inzwischen erfolgten Ermahnung des Obersten Gerichts im Fall Kocners erneut zum gleichen Ergebnis kam, wird man das Gefühl einer Ungerechtigkeit nicht los. (…) Auch wenn wir nicht ausschließen können, dass das Gericht womöglich doch richtig vorgegangen ist, hat dieses Urteil dem Vertrauen in die Justiz nicht geholfen.”

APA/Red

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