MFE will Mehrheit bei ProSiebenSat.1
Italienisches Übernahmeangebot sorgt für Verunsicherung am Markt und einen gewaltigen Kursrutsch an der Börse.

Der italienische Medienkonzern MFE-MediaForEurope hat ein offizielles Übernahmeangebot für den deutschen TV-Konzern ProSiebenSat.1 angekündigt – und damit am Finanzmarkt für Aufsehen gesorgt. Zwar war ein solcher Schritt angesichts der seit Jahren schrittweise ausgebauten Beteiligung erwartet worden, doch die angebotene Bewertung enttäuschte viele Anleger: Die ProSieben-Aktie gab am Donnerstagvormittag im frühen Handel zwischenzeitlich um mehr als 13 Prozent nach – und war damit größter Verlierer im SDax.
MFE, das von der Familie des früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi kontrolliert wird, hält bereits knapp 30 Prozent der Anteile an ProSiebenSat.1. Mit dem jetzigen Schritt soll die Kontrolle ausgebaut werden. Angeboten wird den Aktionären laut MFE der durchschnittliche Aktienkurs der letzten drei Monate – ein Wert, der unter dem aktuellen Börsenkurs liegt. Die Offerte besteht zu 78 Prozent aus einer Barzahlung und zu 22 Prozent aus neuen MFE-A-Aktien.
Die Reaktion auf das Angebot fiel verhalten bis kritisch aus – sowohl beim Markt als auch in Medienkreisen. Die Aktie von MFE selbst verlor ebenfalls rund sechs Prozent.
Ein europäischer TV-Konzern
MFE verfolgt seit längerem das Ziel, einen europäischen Fernsehkonzern mit starker internationaler Präsenz zu formen. Neben Italien ist das Unternehmen auch in Spanien aktiv – Deutschland soll als weiterer Kernmarkt hinzukommen. ProSiebenSat.1 mit seinen Marken ProSieben, Sat.1, Kabel Eins und mehreren Special-Interest-Sendern wäre dabei ein zentrales Element.
Nach Jahren der Zurückhaltung scheint sich nun ein Fenster für eine engere Anbindung zu öffnen. Unter dem früheren Management zeigte sich ProSiebenSat.1 distanziert gegenüber dem italienischen Großaktionär. Erst mit dem Amtsantritt des heutigen Vorstandschefs Bert Habets Ende 2022 setzte ein vorsichtiger Kurswechsel ein.
MFE-Chef Pier Silvio Berlusconi sprach von einem notwendigen Schritt: „Es ist an der Zeit, einen Gang höher zu schalten.“ ProSiebenSat.1 brauche „einen starken Aktionär mit Branchenerfahrung“, der die Entwicklung des Unternehmens aktiv begleiten könne – „bevor es zu spät ist“, so Berlusconi.
Zweifel und Zurückhaltung
Unklar bleibt, wie andere Anteilseigner auf das Angebot reagieren werden. Die zweitgrößte Aktionärin, die tschechische PPF-Gruppe von Renata Kellnerova, die rund 13 Prozent hält, äußerte sich bislang nicht. Beobachter gehen davon aus, dass es zu intensiven Gesprächen über Bewertung, Strategie und künftige Unabhängigkeit kommen dürfte – nicht zuletzt auch mit Blick auf regulatorische Fragen in Deutschland.
Ob MFE mit dem aktuellen Angebot die gewünschte Mehrheit erreichen kann, bleibt daher offen. Der Kursrückgang könnte den Druck auf Nachverhandlungen erhöhen – oder zusätzliche Dynamik in die europäische Medienlandschaft bringen.
(APA/red)