Menschen für Menschen in getrennten Welten
Die neue NGO-Kampagne setzt auf Gleichwertigkeit im Bild – doch die Rollen bleiben klar verteilt.

Mit dem neuen Claim „Zusammenstehen für Menschlichkeit“ hat Menschen für Menschen einen konsequent durchdesignten Markenauftritt hingelegt. Die Kampagne, gestaltet von Springer & Jacoby Österreich, ist ein Musterbeispiel für moderne NGO-Kommunikation: visuell reduziert, emotional anschlussfähig, medienübergreifend einsetzbar.
Und doch stellt sich beim genaueren Hinsehen eine Frage, die über Design hinausreicht: Was bedeutet Gleichwertigkeit im Bild – und wie sehr spiegelt sich das im Detail wider?
Starke Komposition, klare Idee
Die Grundidee der Sujets ist bestechend einfach: Drei Menschen nebeneinander, alle im selben blauen Shirt mit dem prominenten MFM-Logo, die gleiche Haltung, die gleiche Geste – in der Hand jeweils ein Symbol: ein Bäumchen (Aufforstung), ein Bücherstapel (Bildung), ein Glas Wasser (Versorgung). Das visuelle Konzept vermittelt: Hier wirken Menschen gemeinsam. Unterschiedlich, aber gleichwertig.

Tatsächlich verzichtet die Kampagne auf alles, was NGOs lange Zeit ausmachte: Es gibt keine Leidensbilder, keine Armutsbilder, keine Notinszenierung. Stattdessen freundliche Gesichter, Würde, Haltung, Gleichheit. Das ist wohltuend, modern und kommunikativ wahrscheinlich wirksamer als Mitleidsappelle.

Doch bei aller gestalterischen Strenge liegt die Bruchlinie nicht in der zentralen Komposition, sondern im Bildhintergrund*. Die Menschen im Bild stehen sichtbar in ihren jeweiligen Lebensräumen: Hinter den europäischen Protagonist:innen – stets hellhäutig – erkennen wir Wohnräume, Architektur, Accessoires, die ökonomischen Komfort signalisieren. Bei den afrikanischen Personen – allesamt Schwarz – sind es Umgebungen, die klar auf andere Lebensumstände verweisen – einfacher, funktionaler, ländlich geprägt und unverkennbar im afrikanischen Kontext verortet.

*Bild-Analyse: „Zusammenstehen für eine grünere Zukunft“
-
Linke Person: dunklere Hautfarbe, Landschaft mit Hügeln, Kiefern oder Eukalyptus – wirkt äthiopisch, vermutlich ländliches Hochland oder Vorberge.
-
Mittlere Person: hellhäutig, europäisches Gesicht, heller Nadelbaum in der Hand, möglicherweise Mitteleuropa, wohl Österreich.
-
Rechte Person: ebenfalls äthiopisch oder ostafrikanisch, leicht verwischter, sonnenüberfluteter Hintergrund mit Bäumen – spricht für Oromia oder Amhara-Region in Äthiopien.
Alle stehen sinnbildlich für eine Aufforstungs-Allianz zwischen Afrika und Europa.
Verkapptes Zielgruppenverständnis
Das ist sicher realistisch. Und doch reproduziert es – ohne es zu wollen – eine implizite Rollenverteilung: Hier jene, die geben können. Dort jene, die empfangen. So entsteht ein Bild von Hilfe, das zwar partnerschaftlich aussehen will, aber in seiner Tiefe noch stark hierarchisch ist.
Diese Gestaltung ist vermutlich kein Zufall, sondern Ergebnis einer sehr genauen Zielgruppenansprache. Die Kampagne richtet sich an gut situierte Spender:innen im deutschsprachigen Raum. Die visuelle Codierung spricht eine urbane, bildungsnahe, europäische Mittelschicht an – und das funktioniert.
Doch genau darin liegt die Begrenzung: Alle „Spender:innen“ im Bild sind weiß. Keine Person of Color auf europäischer Seite, kein Bruch mit dem Erwartbaren. Die Diversität, die auf globaler Ebene suggeriert wird, wird auf lokaler Ebene wieder einkassiert.
Die neue Menschen für Menschen-Kampagne ist kommunikativ durchdacht, ästhetisch überzeugend und wirkt wohltuend zeitgemäß. Sie setzt ein starkes Zeichen für Gleichwürdigkeit und gemeinsame Verantwortung. Doch in der gestalterischen Präzision liegt auch ihre Schwäche: Sie fixiert Rollenbilder, die sie eigentlich auflösen will.
Hier können trotzdem alle spenden: https://www.menschenfuermenschen.at/
(PA/key)