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Likes weg – Stress weg

Freude oder Bauchweh? Instagram testet nach den positiven Reaktionen in einigen Ländern den Verzicht auf die Anzeige von Likes jetzt weltweit. ED befragte österreichische Influencerinnen, was sich seitdem für sie geändert hat.
© Adobe Stock

Es ist nur eine kleine Geste, ein kurzer Klick. Doch für viele in der Social Media-Welt bedeutet dieser Moment alles: Einen „Like“ für einen Post erhalten. Das rote Herzchen bei Instagram und co. zeigt anderen, wie beliebt, gefragt oder angesehen ein Beitrag ist. Im vergangenen Oktober testete Instagram in einigen Ländern eine Version, in der die Nutzer nicht mehr sehen, wie viele „Likes“ ein Bild oder ein Video bekommen hat. Einzig der Autor des Beitrags kann sie nach wie vor einsehen. ExtraDienst berichtete in der Ausgabe 8-9/2019 darüber und befragte Österreichs Influencer nach ihrer Meinung dazu. Jetzt ist die Theorie zur Wirklichkeit geworden – da das Feedback der Nutzer positiv sei, weitete die Facebook-Tochter die Version am 14. November weltweit aus.

Einschneidende Veränderungen

Nutzer, die Teil des Tests sind, sehen die Gesamtzahl der Likes und Views von Fotos und Videos anderer in ihrem Feed nicht mehr. Die Likes für die eigenen Beiträge bleiben jedoch sichtbar. Unklar ist, wie viele Nutzer genau Teil des Tests sind. Instagram hatte den Verzicht auf die Anzeige von „Like“-Zahlen zuvor in Australien, Brasilien, Kanada, Irland, Italien und Neuseeland ausprobiert. Ein Hintergrund der Idee sei, „den Menschen zu helfen, sich auf die Fotos und Videos zu konzentrieren, die sie teilen, und nicht darauf, wie viele Likes sie dafür bekommen“.

Nicht nur für die Instagram „Otto-Normal-User“, besonders auch für Influencer ändert sich dadurch einiges. Denn für sie gelten die Likes als eine Art Währung und Erfolgsbarometer. Hat man bei einem Post viele Likes, war er erfolgreich – so die Theorie. 

Unternehmen können anhand der Like-Statistiken einsehen, wie groß die Reichweite eines einzelnen Posts ist. Dass diese nun wegfallen, ist eine einschneidende Veränderung. Schließlich sind die Influencer oft darauf angewiesen, potenziellen Geschäftspartnern ihre Reichweite zu demonstrieren. Deshalb sucht Instagram für User, für die die Plattform geschäftlich wichtig ist, gerade nach einer Lösung. Aber ist das überhaupt unbedingt nötig?

Gesunkene Interaktionsrate

Influencerin Jasmin Marie Schierer ist seit 2014 mit ihrem Account „MaryJay_at“ aktiv auf Instagram. Die 29-jährige Niederösterreicherin nutzt die Plattform, um ihre rund 11.000 Follower zu den Themen Fashion, Beauty und Lifestyle auf dem Laufenden zu halten und um ihren Blog zu promoten. Im August klagte sie im ED-Interview über die drastisch gesunkene Interaktionsrate. Die verschwundene Like-Anzeige ist für sie noch sehr ungewohnt. „Es hat mir aber auf alle Fälle bewusst gemacht, wie sehr ich tatsächlich auf die Likezahl unter den Postings geachtet habe“, so Schierer. Die Umstellung bedeutet ihrer Meinung nach auch eine Umstellung im User-Verhalten. „Man konzentriert sich wieder vermehrt auf die Fotos. Profile, die es schaffen, durch ansprechende Fotos im Feed meine Aufmerksamkeit zu bekommen, besuche ich dann auch gesondert. Meist um mich dann direkt am Profil über seine ‚Stärke‘ zu informieren, sprich wie viele Follower das Profil hat.“ 

Auch Carina Baier, die mit ihrem Instagram-Account „Carina_Berry“ sehr erfolgreich ist, bemerkte eine Veränderung. Auch wenn die Fitness- und Food-Bloggerin mit 52.000 Followern zu den erfolgreichsten österreichischen Influencerinnen gehört, plagte sie die sinkende Interaktionsrate. Dass die Anzahl der Likes nun nicht mehr für alle einsehbar ist, freut die 27-Jährige: „Jetzt wo Likes nicht mehr sichtbar sind, poste ich auch gerne wieder Bilder, die ich einfach persönlich toll finde, bei denen ich aber weiß, dass sie sonst nicht so viele Likes bekommen würden wie manch andere.“ Sie ist der Meinung, dass sich der Druck, auf alle Bilder viele Likes bekommen zu müssen, reduziert hat. „Ehrlich gesagt habe ich schon sehr lange darauf gewartet, dass die Likes verschwinden. Sie sind generell in den letzten zwei Jahren unglaublich zurückgegangen, und es war einfach nur mehr frustrierend, etwas hochzuladen und nur einen Bruchteil der Likes zu bekommen, die man vor einem Jahr noch bekommen hat.“ So wurde sie viel kritischer mit ihrem Content und bemerkte, dass auch die Lust am Posten weniger wurde.

Carina Dieringer achtet schon länger nicht mehr auf die Anzahl der Likes bei ihren Instagram-Posts. Die Oberösterreicherin startete vor sieben Jahren ihren Blog und Instagram-Account „inadieringer“, auf dem sie ihre 5.600 Follower regelmäßig mit ästhetisch-minimalistischen Bildern begeistert. Im September 2019 gründete sie mit zwei Freundinnen die Social Media-Agentur „Octupus“. Sie findet es super, dass Instagram beschloss, die Anzahl der Herzchen weltweit zu verstecken. Obwohl sie es ungewohnter findet als gedacht und sich selbst immer noch dabei ertappt, dass sie bei anderen Profilen sehen will, wie vielen Leuten welcher Post gefällt. „Jetzt geht es aber hoffentlich wieder mehr um die Bilder an sich als um die Likes. Ich habe in den letzten Wochen bei mir selbst schon bemerkt, dass ich viel gelassener bin und nicht alle paar Minuten, nachdem ich ein Bild hochgeladen habe, schaue, wie es ankommt“, meint die 28-jährige. „Ich denke und hoffe, dass der Druck auf Instagram jetzt abnimmt und es vielleicht wieder eher das wird, was es früher, zumindest für mich, war: Inspiration anstatt Wettbewerb.“ 

Bei ihr persönlich habe schon Anfang des Jahres ein starkes Umdenken in Bezug zu sozialen Medien stattgefunden. „Seitdem habe ich viel verändert, und es geht mir jetzt deutlich besser damit. Ich mache mir nicht mehr ganz so viele Gedanken um den Algorithmus und versuche, mich nicht mehr ganz so hineinzusteigern.“ Das Wegfallen der Sichtbarkeit der Likes kam deswegen für sie wie gerufen. „Jetzt macht mir Instagram wieder richtig Spaß“, so Dieringer.

Von Beate Binder

Lesen Sie den ganzen Artikel im neuen ExtraDienst

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