Küblböck-Doku verirrt sich zur ARD
„Die Küblböck-Story – Eure Lana Kaiser“ erzählt von einem gefeierten Idol – das zu Lebzeiten keines war.

„Gefeierter Star, Identifikationsfigur einer ganzen Generation“: Mit diesen Worten kündigt die ARD ihre dreiteilige Doku über Daniel Küblböck an, die ab 26. August in der ARD Mediathek abrufbar ist. Sein Leben wird aus der Perspektive von Familie, Freunden sowie Wegbegleitern erzählt.
Wer die frühen Nullerjahre miterlebt hat, erinnert sich: Küblböck wurde bekannt durch die Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ – also durch Dieter Bohlen. Er war auffällig, laut, schrill, von vielen als verhaltensauffällig belächelt. Er polarisierte, er wollte berühmt werden, und genau damit erfüllte er die Rolle, die RTL ihm bot – eine Rolle, für die ihn die Boulevard-Presse gnadenlos zerriss.
Queere Identifikationsfigur
Zu Lebzeiten wurde Küblböck nicht als Leitfigur einer Community gesehen. Seine Sexualität war zunächst kein Thema. Erst Jahre später, 2010, outete er sich öffentlich als homosexuell – da hatte er seine größte TV-Popularität längst hinter sich. Von Transidentität war damals keine Rede. Erst kurz vor seinem Verschwinden 2018 trat er unter dem Namen Lana Kaiser auf.
ARD war nicht dabei
Dass die ARD heute als Chronist dieser Persönlichkeit auftritt, ist erstaunlich. Dass er nun rückwirkend zur „queeren Identifikationsfigur“ erklärt wird, scheint weniger Ausdruck seiner Zeit als vielmehr eine Projektion heutiger Diskurse. In Küblböcks aktiven Jahren hatte sie kaum Berührung mit ihm. Es gab dort keine eigenen Formate, keine großen Interviewauftritte in Flaggschiffen des ÖRR. Seine Bühne war RTL, wo er mit DSDS und „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ zum Dauerlieferanten für Schlagzeilen wurde.
Wer was erzählt
Als Zeitzeugen holt die ARD vor allem Persönlichkeiten vor die Kamera, die man seit Jahren aus dem Boulevard-TV kennt: Dragqueen Olivia Jones, die selbst fester Bestandteil von RTL-Formaten wie dem „Dschungelcamp“ ist; Ex-DSDS-Teilnehmerin Gracia Baur, deren Karriere eng mit der Castingshow verbunden blieb; Riccardo Simonetti, der zwar als Aktivist gilt, aber vor allem durch Talkshows und Social Media präsent ist; sowie Lucy Diakovska, die als Mitglied der No Angels ein Produkt des Castingshow-Booms der Nullerjahre ist. Authentische Stimmen – sie alle stammen aus demselben Entertainment-Milieu, das Küblböck einst groß machte.
Benefit of the Doubt
Eines ist klar: Die Macher der Doku agieren nicht unbedarft. Selbstverständlich gibt es Disclaimer, Hinweise auf Beratungsstellen und den Appell, bei Suizidgedanken ärztliche oder psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Diese Absicherungen sind Standard und dienen der Verantwortung gegenüber dem Publikum. Doch auch mit diesen wichtigen Hinweisen bleibt der Widerspruch bestehen: Auf der einen Seite pädagogisch korrekte Warnungen – auf der anderen eine Erzählweise, die das Leben Küblböcks posthum zu einem Symbolbild erhebt, das tragisch geendet hat – nach Einschätzung der Behörden durch Suizid.
Schlussgedanke
„Für mich ist die Geschichte von Lana eine Empowerment-Geschichte, auch wenn sie vielleicht anders geendet ist, als wir es uns wünschen würden“, sagt Riccardo Simonetti im offiziellen ARD-Trailer.
Dass Daniel Küblböck Suizid begangen hat, ist bis heute nicht abschließend bewiesen. Behörden gehen zwar von einem Freitod aus, doch eine eindeutige Bestätigung gibt es nicht. Gerade deshalb wirkt es fragwürdig, wenn eine Doku sein Schicksal nachträglich in ein geschlossenes „Empowerment-Narrativ“ einpasst. Man könnte sich fragen: Wäre die Erzählung in dieser Form überhaupt möglich, wenn der Suizid unumstößlich feststünde?
Das ARD scheut sich nicht, dieses heiße Thema anzufassen. Für diesen Mut braucht es wahrscheinlich Anerkennung – oder den Willen, genau hinschauen zu wollen.
Infos: www.daserste.de
(red)
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