Kommentar: Gottschalk-Bashing
Der wahre Verlust unserer Zeit ist nicht Wissen, Kompetenz oder Modernität. Es ist der Verlust von Toleranz.
Es ging wie ein Ruck durch unsere Gesellschaft. Als Thomas Gottschalk sich via BILD-Zeitung jüngst geoutet hat, dass er schwere Medikamente nimmt, Krebs hat und dass er sich deshalb auf Veranstaltungen verhaspelt und versprochen hat. Und nicht perfekt war.
Dabei hat sich eines herauskristallisiert: Wir leben in einer unglaublich kalten Welt.
In einer Welt, in der wir den Verlust von Toleranz beklagen müssen. Unsere Gesellschaft ist erbarmungslos geworden.
Schon den jungen Menschen wird eingetrichtert: „Du musst schön sein. Du musst perfekt sein.“ Dann machen sie vollkommen sinnlose kosmetische Operationen, nur um dem Ideal der Perfektion zu entsprechen.
Noch schlimmer ist es mit älteren Menschen. Von denen verlangt man ebenfalls, perfekt zu sein. Doch im Alter ist man nicht mehr perfekt. Man verspricht sich. Man macht Fehler. Man merkt sich nicht mehr alles.
Aber anstatt das tolerant zu akzeptieren, steinigen wir die Menschen, wenn sie alt sind, wenn sie Fehler machen, wenn sie gebrechlich werden.
Andere Kulturen halten das ganz anders. In Japan beispielsweise gibt es den Komon. Das ist ein alter Mensch, der keine operative Verantwortung mehr trägt, aber seine Weisheit, seine Würde und seine Gelassenheit weiterhin den großen Unternehmen zur Verfügung stellt.
Die Komons haben Autorität, sind hoch anerkannt und werden für wichtige Unternehmensentscheidungen herbeigezogen.
Und bei uns? Hier werden alte Menschen entsorgt. Kommen in den Müll. Und wenn sie Fehler machen, werden sie gesteinigt.
Es ist armselig. Lernen wir doch das, was wir immer gekonnt haben: Lernen wir Toleranz. Lernen wir, mit unseren Alten gut, anständig und vernünftig umzugehen.
(cemu)
