Hochner-Nachwuchspreis an Selbstversuch
Nora Schäffler von der WZ erhält den erstmals vergebenen Nachwuchspreis für Onlinejournalismus.

Nora Schäffler von der Wiener Zeitung erhält den erstmals vergebenen Nachwuchspreis für digitalen Qualitätsjournalismus – und zwar für eine Arbeitsweise, die ebenso mutig wie umstritten ist. Die junge Video-Redakteurin hat im vergangenen Jahr mit einer Reihe aufsehenerregender Reportagen für Aufmerksamkeit gesorgt. Im Zentrum vieler ihrer Beiträge steht sie selbst – als Figur, Versuchsanordnung und journalistisches Werkzeug. Ausgezeichnet wird mit ihr damit auch eine Spielart des Selbstversuchs, bei der die Grenze zwischen Beobachtung und Beteiligung bewusst überschritten wird.

Recherche am eigenen Leib
Die Wiener Zeitung-Redakteurin Nora Schäffler ist keine Freundin der Beobachterrolle. Sie interveniert. Für ihre bekannteste Recherche gab sie sich auf Instagram als 15-Jährige aus, die sich heimlich die Lippen aufspritzen lassen will. Gemeinsam mit Kollegin Aleksandra Tulej kontaktierte sie Anbieterinnen kosmetischer Eingriffe, die ihre Leistungen über soziale Netzwerke vertreiben – ohne ärztliche Praxis, ohne überprüfbare Qualifikation, dafür mit vielen Emojis. Das Ergebnis: Mehrere Terminangebote, keine Nachfrage nach Alter oder Einwilligung der Eltern. Die gesetzliche Altersgrenze von 18 Jahren scheint in diesem Milieu kaum jemanden zu interessieren.
Was Schäffler daraus machte, war eine zugespitzte Reportage mit beunruhigender Botschaft: Es ist erschreckend einfach, als Minderjährige an medizinisch riskante Schönheitsbehandlungen zu kommen. Die Geschichte erschien vor einem Jahr, wurde viel gelesen, kommentiert – und nun mit einem hoch dotierten Preis versehen. Der Robert-Hochner-Nachwuchspreis, von der gleichnamigen Stiftung ins Leben gerufen, soll künftig „journalistische Qualität im digitalen Raum“ würdigen.
Zwischen Mut und Wille
Die Auszeichnung ist eine Anerkennung für den Mut, unbequeme Themen bei der Wurzel zu packen und den Willen, dort zu kratzen wo die Farbe dünn aufgetragen wurde. Unumstritten ist dieses Vorgehen nicht. Es erinnert an Fälle von Jungredakteuren in Boulevardzeitungen, die von ihren Chefredakteuren pumperlgesund zum Arzt geschickt werden, um aufzudecken, ob sie mit eine Krankheitsbescheinigung wieder rausgehen.
Wer als Fake-Profil oder glatter Lügner einen Termin erschleicht, riskiert, die Grenze zwischen Aufdeckung und Anstiftung zu verwischen.
Influencer-Journalismus
Nora Schäffler hat noch andere Recherchen veröffentlicht. Darunter ein Versuch, sich durch TikTok-Diättrends zu „hungern“ oder ein Erfahrungsbericht über exzessive Smartphone-Nutzung an Schulen. Es sind Texte, die eine Generation abbilden – und oft gleich mit ihr verschmelzen. Journalismus wird hier nicht mehr distanziert erzählt, sondern performativ gelebt. Der Mehrwert: Unmittelbarkeit. Die Gefahr: Influencing.
Anerkennung mit Fußnote
Dass die Jury – bestehend unter anderem aus Ingrid Brodnig und Yilmaz Gülüm – genau diese Form des digitalen Recherchierens lobt, ist vor allem eine Anerkennung für die WZ-neu. Schäfflers aktuelle Chefredaktions-Chefin, Katharina Schmid sagt es direkt heraus: „Noras Arbeit steht exemplarisch für das, was wir als Redaktion fördern wollen: ein Gespür für gesellschaftlich relevante Themen, eine klare Haltung und ein mutiger Zugang zu neuen journalistischen Formen.”
Kommentar: Ob Hochner selbst je zu solchen Methoden gegriffen hätte, bleibt offen. Fest steht: Sein Name steht nun auch für einen Journalismus, der neue Wege geht – jenseits klassischer Rollenverteilungen.
(red)