Google-KI: Bedrohung für Nachrichtenseiten
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) bei der Google-Suche wird als Gefahr für die Medienvielfalt kritisiert.

Der deutsche Medienstaatsminister Wolfram Weimer sprach unlängst in einem Live-Podcast des Nachrichtensenders ntv von einem „Raubzug“ Googles gegen die Informationsvielfalt. KI-Überblicke würden Klicks abdrehen und damit die Finanzierung journalistischer Angebote gefährden. Ein Vorwurf, der schwer wiegt – und sich nahtlos in die bekannten Forderungen der Verlage einreiht: Googles Suchmaschine soll die Inhalte klassischer Medienhäuser prominenter platzieren, um Traffic zu sichern und damit die Werbeerträge zu stabilisieren.
Eine Forderung, die nicht aus der Luft gegriffen ist. Traditionell stammen 30 bis 50 Prozent des Traffics von Nachrichtenseiten direkt aus Google-Suchen. Ein Rückgang in dieser Größenordnung würde Geschäftsmodelle massiv ins Wanken bringen. Verlage haben in den vergangenen Jahren erhebliche Summen in Suchmaschinenoptimierung investiert. Sich dabei aber auch in eine Abhängigkeit von US-Konzernen begeben, die sich darauf spezialisiert haben, Inhalte sekundenschnell und DSGVO-konform auszuliefern. Diese technische Aufrüstung sorgt dafür, dass die großen Player in Deutschland und Österreich unmittelbar nach Veröffentlichung ganz oben in den Suchergebnissen auftauchen.
Stabilität in den Zahlen
Ein Blick in die etablierten Messsysteme zeigt bislang allerdings kein Krisenszenario. In Deutschland meldet die AGOF seit Jahresbeginn stabile Reichweiten: Spiegel Online kommt laut agma digital facts konstant auf rund 19 Millionen Unique User pro Monat, t-online führt das Ranking mit über 31 Millionen Unique Usern. Auch Bild.de bewegt sich weiter im zweistelligen Millionenbereich.
Und in Österreich weist die ÖWA konstante Gesamtreichweiten aus: Im zweiten Quartal 2025 nutzten 6,76 Millionen Unique User mindestens ein ÖWA-Angebot, das entspricht 93,7 Prozent der heimischen Internetnutzerinnen und -nutzer. Von dramatischen Einbrüchen ist bislang nichts zu sehen.
Damit stellen sich zwei Interpretationen zur Wahl:
- Variante eins: Die politischen Warnungen kommen zu früh. KI-Überblicke sind zwar real, haben sich in den Reichweitendaten aber noch nicht niedergeschlagen.
- Variante zwei: Die Metriken von AGOF und ÖWA erfassen kurzfristige Veränderungen nicht präzise genug weil Google weiterhin genügend Traffic auf die Seiten lenkt.
Österreichs Besonderheit
Unbestritten ist: SEO-fokussierte Titel wie DerStandard, Krone, Kurier oder DiePresse hängen stark von der Google-Suche ab. Für sie wären Rückgänge unmittelbar spürbar. oe24.at bildet hier die Ausnahme. Der Boulevardtitel setzt seit Jahren stärker auf Direktaufrufe, Social Media und Push-Mechanismen als auf klassische Google-Optimierung. Das könnte sich nun als Vorteil erweisen.
Weimers Mahnung ist im Grundsatz nachvollziehbar: Die strukturelle Abhängigkeit von Google bleibt gefährlich. Doch noch fehlt der empirische Beleg, dass die neue KI-Funktion schon heute Reichweiten und Einnahmen spürbar schmälert. Bis dahin bleibt offen, ob die KI-Zusammenfassungen den Traffic wirklich abwürgen – oder ob es sich um eine Mediendebatte handelt.
Die etablierten Messsysteme bleiben ein unverzichtbarer Teil der Digitalwirtschaft – besonders für programmatische Werbeanbieter, die so einen weiteren Beleg für ihre Leistungen vorweisen können. Ebenso für die Mitglieder, deren Bedeutung sich in den Digital-Charts der AGOF und ÖWA in Zahlen ausdrückt.
Auch wenn das Medienangebot stetig wächst, klassische Kanäle an Bedeutung verlieren und das Interesse an Hard News abnimmt: Es finden sich immer noch genug User, die millionenfach die Angebote der großen Verlage im Netz aufsuchen. Man könnte sich allerdings fragen, warum die Reichweiten immer weiter steigen – und nicht längst zurückgehen.
(APA/red)