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Die stille Ausdünnung des Journalismus in Österreich

Ein Drittel der journalistischen Jobs ist seit der Jahrtausendwende verschwunden – ein Ergebnis langfristiger Veränderungen in der Medienbranche.

08.10.2025 13:11
red04
© Adobe Stock
Aktuell werden weniger als 5.000 aktive Journalisten geschätzt.

Der österreichische Journalismus steht seit Jahren unter starkem wirtschaftlichem Druck. Laut Medienexperte Andy Kaltenbrunner vom Medienhaus Wien, der gegenüber der APA sprach, sind seit der Jahrtausendwende rund ein Drittel der journalistischen Arbeitsplätze verloren gegangen. Während der erste „Journalisten-Report“ von 2007 noch etwa 7.100 hauptberuflich tätige Journalisten zählte, sank diese Zahl bei der letzten Erhebung 2018/2019 auf rund 5.350. Aktuell werden sogar weniger als 5.000 aktive Journalisten geschätzt. Was unter „Journalist“ genau fällt, ist dabei nicht immer klar – je nach Erhebung können auch etwa Lektoren oder Bildjournalisten mitgezählt sein. Gleichzeitig verschwinden klassische Berufsbilder, während neue wie Social-Media- oder Datenjournalisten dazukommen.

Folgen der Digitalisierung

Viele Medienhäuser bauten Stellen ab, besetzten offene Positionen nicht nach oder stellten ganze Medienangebote ein. Zudem arbeiten manche Journalisten unter prekären Bedingungen und müssen ihr Einkommen durch andere Tätigkeiten aufbessern, um finanziell über die Runden zu kommen. Die Ursachen für den Personalabbau sind vielschichtig. Einige Unternehmen hätten laut Kaltenbrunner die digitale Transformation verschlafen, andere versuchen, Erlöse durch Preiserhöhungen bei sinkenden Printabos zu stabilisieren – eine Strategie, die laut dem Medienexperten inzwischen an ihre Grenzen stößt. Medien, die früh auf digitale Produkte setzten, hatten dagegen Nachteile, weil lange Zeit zu viele Inhalte kostenlos angeboten wurden.

Die wirtschaftlichen und strukturellen Veränderungen haben auch Auswirkungen auf die journalistische Qualität: „Weniger Menschen im Newsroom machen weniger echten Journalismus. Das bringt weniger Publikum. Eine Spirale“, so Kaltenbrunner. Eine nachhaltige Verbesserung sieht er nur durch eine medienpolitische Neuausrichtung, die mit transparenter, qualitativ messbarer Förderung demokratische Ziele unterstützt. Medienminister Andreas Babler (SPÖ) kündigte eine Studie zur Neuordnung der Medienförderung an. Geplant sind neue Angebote wie ein „Meine-Zeitung“-Abo für junge Leser und eine Vertriebsförderung.

Schieflagen in der Medienlandschaft

Walter Strobl vom Presseclub Concordia warnt gegenüber der APA vor einer „demokratiepolitischen Schieflage“. Weniger journalistische Medien mit ausreichenden Ressourcen stünden einer wachsenden Zahl von Akteuren gegenüber, die hauptsächlich eigene Interessen verfolgten. Förderungen könnten helfen, diese Schieflage auszugleichen – allerdings nur, wenn sie gezielt Medien unterstützen, die über öffentlich relevante Themen berichten. Außerdem müssten neue journalistische Verbreitungswege stärker berücksichtigt werden.

Problematisch sieht Strobl auch die ungleiche rechtliche Behandlung von Medien und Social-Media-Plattformen. Während journalistische Medien für Inhalte haften, gilt das nicht für Plattformen wie Facebook oder YouTube, was einen unfairen Wettbewerbsvorteil darstelle. Eine Digitalsteuer sei ein erster Schritt, reiche aber nicht aus.

Parallel verlagern sich Werbeeinnahmen zunehmend zu großen internationalen Plattformen wie Meta oder Google. Laut Kommunikationswissenschaftler Josef Trappel von der Universität Salzburg fließt inzwischen mehr als die Hälfte der Werbeausgaben zu diesen Playern. Die Werbeabhängigkeit österreichischer Medienhäuser verschärft die finanzielle Situation.

Hoffnung durch Onlinejournalismus

Trotz der Herausforderungen gibt es positive Entwicklungen: Die Zahlungsbereitschaft für Online-Nachrichten ist laut dem aktuellen „Digital News Report“ deutlich gestiegen – von 13,7 auf 22 Prozent der Befragten innerhalb eines Jahres. In Zeiten von Fake News und Desinformation gewinnen verlässliche Informationen seriöser Medien zunehmend an Bedeutung, so Trappel.

Medienvielfalt und neue journalistische Formen

Besonders betroffen vom Personalabbau sind kleinere und unabhängige Medien, was die Gefahr einer zunehmenden Medienkonzentration verstärkt und somit Vielfalt und Pluralismus in Österreich infrage stellt. Die angekündigten Fördermaßnahmen könnten dieser Entwicklung entgegenwirken, doch solange die grundlegenden strukturellen Herausforderungen nicht adressiert werden, bleibt offen, ob dies tatsächlich gelingt. Zudem liegt der Fokus der aktuellen medienpolitischen Diskussion vorwiegend auf klassischen Medienunternehmen. Innovative und digitale Formen des Journalismus – etwa Community-basierte Modelle oder Crowdfunding – finden bislang kaum Berücksichtigung. Um die Zukunftsfähigkeit des Journalismus und eine unabhängige, vielfältige Medienlandschaft nachhaltig zu sichern, darf nicht vergessen werden, dass sich Journalismus auch in seiner Definition ständig weiterentwickelt und ein dynamisches Feld ist. Lösungen zur Entgegenwirkung der Probleme – wie dem Rückgang journalistischer Ressourcen – müssen daher neue journalistische Formen mitdenken. Denn diese bringen nicht nur eigene Herausforderungen mit sich, sondern können bei Vernachlässigung zusätzliche Probleme verursachen.

(APA/red)

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