OBI entdeckt die Nachbarschaft neu
Mit einer Studie und groß angelegter Kampagne inszeniert der Baumarkt das Miteinander als Markenbotschaft.

Zwischen Dorfgemeinschaft und Großstadt-Anonymität: So steht es um die Nachbarschaft. Im Rahmen der Kampagne „Machbarschaft“ hat OBI zur Einreichung von Nachbarschaftsprojekten aufgerufen, die im Herbst präsentiert werden. Passend dazu wurde eine Umfrage beauftragt, die nicht gerade schmeichelhaft ausfällt.
Wenn man sich die Ergebnisse der Marketagent-Studie durchliest, vergeht einem eigentlich die Lust aufs gemeinschaftliche Handwerken. OBI glaubt dennoch an die Freude, die entsteht, wenn man gemeinsam etwas schafft: an Nachbar:innen, die lieber reparieren statt raunzen, sanieren statt sudern und gemeinsam etwas bewegen statt zu reden.
Seit August läuft die Umsetzungsphase – mit Unterstützung des Baumarkts, einer mobilen Werkstatt und der Social-Media-Begleitung durch „Die Hauswerkerin“.

Im Auftrag von OBI befragte das Institut Marketagent im März 2025 insgesamt 1.000 Personen in Österreich zum Thema Nachbarschaft. Die Ergebnisse erscheinen auf den ersten Blick aussagekräftig: 68 % der Befragten sind überzeugt, dass das Gemeinschaftsgefühl früher stärker war. Mehr als die Hälfte hilft regelmäßig im Alltag, rund 47 % übernehmen Nachbarschaftsdienste während der Urlaubszeit.
Die Darstellung der Ergebnisse folgt jedoch einem Muster, das mehr inszeniert als informiert: Wien wird als Negativbeispiel mit distanzierter Wohnkultur positioniert (21,4 % ohne Nachbarschaftskontakt), ländliche Regionen hingegen als Hort gelebter Gemeinschaft (z. B. 78,7 % positives Nachbarschaftsverhältnis in Salzburg). Ähnlich polarisierend ist der Generationenvergleich: Während Babyboomer und Generation X mit nostalgischer Blickrichtung zitiert werden, wirkt die Gen Z als desinteressiert und konfliktreich – auch weil die Studie betont, dass 27,8 % der Jüngsten über Probleme mit Nachbar:innen berichten.
Diese selektive Gegenüberstellung – Alt versus Jung, Stadt versus Land – erzeugt ein Bild gesellschaftlicher Spannung, das in der Realität differenzierter ist, als die präsentierten Zahlen suggerieren. Eine strategische Einordnung drängt sich auf: Die Datenlage dient weniger der neutralen Erhebung als vielmehr der Dramaturgie einer Kampagne, die klare Gegensätze braucht, um ihren Call to Action zu begründen.
Kampagne wirbt mit sozialem Engagement
Mit dem Slogan „Gemeinsam ist alles machbar“ verknüpft OBI seine Imagepflege zum 30-jährigen Jubiläum mit einem konkreten Auftritt in den Nachbarschaften. Neun Projekte werden österreichweit unterstützt – inklusive Material, Beratung, mobiler Werkstatt und Influencer-Begleitung durch „Die Hauswerkerin“. Ziel ist es, das Gemeinschaftsgefühl zu stärken und Nachbar:innen zum Mitmachen zu bewegen.
Konzeptionell ist die Kampagne professionell durchdacht: Sie koppelt soziales Engagement mit Markenpositionierung und sucht über das Thema Nachbarschaft Anschluss an Alltagsthemen wie Hilfe, Reparatur oder Zusammenhalt. Das Format ist anschlussfähig, sympathisch, nahbar.

Dass ein Baumarkt seine Marke über Nachbarschaftsdialoge positioniert, entspringt einer guten Idee – ebenso wie der Einsatz von Studien zur Untermauerung der Werbebotschaft. Allerdings bleibt der Eindruck, dass die Umfrage zu sehr auf die Kommunikationsziele der Kampagne abgestimmt wurde – was sie weniger geeignet für den gesellschaftlichen Diskurs macht. Nichtsdestotrotz wirft sie ein bezeichnendes und nicht minder interessantes Bild auf die österreichische Bevölkerung.
Tief gespalten – aber motivierbar.
(red)