Muchas Gracias – Die Laudatio
Hier eine köstlich-bösartige Homage an Verleger Christian W. Mucha von Laudator Heinz Sichrovsky.
Werte Verehrungsbekundungsbezugsberechtigte, lieber Christian!
Ich hab Dir einmal, vor nicht besonders langer Zeit, ein Kompliment unterbreitet, das jeder andere als persönlichen Angriff von sich gewiesen, ja womöglich sogar durch Entzug des Du-Wortes geahndet hätte.
Aber bei Dir ist bekanntlich alles anders. 1. waren wir noch gar nicht per Du, wir haben es erst beim Vorbereitungsgespräch auf diese Laudatio getauscht, vermutlich, damit Du es mir nach der Laudatio wieder entziehen kannst. Und 2. hat es Dich in helles Entzücken versetzt, obwohl das Kompliment gelautet hat: Der Mucha ist ein unmöglicher Mensch, darüber sind sich alle einig, die ihn kennen. Also alle. Es hatte nämlich eine Fortsetzung: Der Mucha ist ein unmöglicher Mensch, weil er das Unmögliche möglich macht – in einer Zeit, in der andere alle Mühen darauf verwenden, das Mögliche unmöglich zu machen. Damals hatte ich dabei noch an unsere gemeinsame Branche gedacht, heute trifft es auf alle Segmente des öffentlichen Lebens zu, womöglich bis ganz hinunter zu den Regierungsverhandlungen.
Damals hattest Du nämlich gerade die Jubiläumsausgabe zum vierzigjährigen Bestand des Branchenmagazins „Extradienst“ herausgebracht, mitten im sich auftürmenden Ukraine-Konflikt, also mitten in der größten Branchenkrise seit der Umstellung von der Klosterhandschrift zum Buchdruck: 278 Seiten schwer, mit 170 Anzeigenseiten, die redaktionell sogar durchaus ansprechend ummantelt waren. Wie man so etwas möglich macht, ist eine ständige Erkenntnis für uns alle, ein Menetekel, das an allen Wänden glüht. Die Zielgruppe des Journalistenmagazins „Extradienstes“ ist so spitz, dass man sich leicht eine Blutvergiftung holt, wenn man sie nur antippt – kennen wir alle. Und wen außer uns selbst, so fragt sich der Laie, sollen denn unsere minimundialen Kabalen, Triumphe und sonstigen Belanglosigkeiten interessieren? Deine Antwort auf meine Frage war so lapidar wie alle elementaren Erkenntnisse der Geistesgeschichte, denken wir nur an Einstein und E=mc²: Die Werbebranche interessiert es, und zwar in konkurrenzloser Geschlossenheit. Mit anderen Worten: Du hast mit deinen drei Kernpublikationen – Medien, Reisen, Luxus – das so benannte Special-Interest-Segment in den Stand der Konkurrenzlosigkeit gebracht. Mit noch anderen Worten: Beim Mucha blöd vorkommen, das ist so kontraproduktiv, als würde der „Guide Michelin“ dem Steirereck Schabenbefall attestieren. 53 Prozent Rendite vor Steuer, hast Du mir zugeraunt, und selbst mir wirtschaftlichem Kretin hat geschwant, dass das nicht nichts ist.
Und dass es dabei auch noch mit rechten Dingen zugeht, das ist gerichtlich zertifiziert: 240 Medienprozesse, und keiner verloren! Außerdem leben zahlreiche Deiner Kontrahenten gar nicht mehr, und zwar ausdrücklich ohne Dein Zutun. Oder sie haben den wirtschaftlichen Tod gefunden, diesfalls mit Deinem Zutun.
Ich lege bei meinen Laudationes ja prinzipiell Wert auf eigene Pointenproduktion, aber ohne Deine Lieblingsanekdote, die Du mir anvertraut hast, wäre diese Laudatio Stückwerk: Ein Herzog stirbt, und an der Schwelle zum Jenseits beschwört ihn der Hofkaplan, seinen Feinden zu vergeben, sonst wird es nichts mit der Absolution. Da haucht der Herzog: „Ich habe keine Feinde.“ Das kommt dem Gottesmann unglaubwürdig vor, aber der Sterbende beharrt mit erlöschender Stimme: „Ich habe keine Feinde. Ich habe sie alle hinrichten lassen.“
Und da haben wir den privaten Mucha noch gar nicht gestreift, der, so wie auch der berufliche Mucha, ruhelos mit der Quadrierung des Kreises befasst ist. Man muss sich das vorstellen: Er kommt in den Seitenblicken vor und ist trotzdem jemand. Er hat ein Buch geschrieben, wie man ohne zu zahlen zu Wohlstand gelangt, bekanntlich ein riskantes Verfahren. Und ist trotzdem mit seiner wunderbaren Frau Ekaterina ein weltläufiges, charmantes, elegantes, stilsicheres, kunstsinniges, belesenes und gebildetes Paar. Er hat als Wiener Nachkriegsbub seine frühen Jahre in einer drückend dichtbesiedelten Gemeindewohnung zugebracht und ist trotzdem bescheiden geblieben. So bescheiden, dass er kürzlich sogar einen seiner beiden Rolls Royce abgestoßen hat! Luxus kennt er keinen, hat er mir versichert, es sei denn, man würde ein paar Stockwerke Wohnraum neben der Staatsoper und ein Schloss am Wörthersee kleinlicherweise im Luxussegment verorten.
Die Sache mit dem verbliebenen Rolls Royce hat übrigens, wie fast alles im Leben des Christian Mucha, eine Pointe. Er nutzt ihn nur für Überlandfahrten, weil er im Stadtverkehr als Markenbotschafter einen ihm unentgeltlich zur Verfügung gestellten Elektro-Fiat nutzt.
Diese scheinbare Lebensmarginalie führt uns mitten ins Mucha’sche Geheimnis, das sich unter dem magischen Wort „Gegengeschäft“ subsumieren lässt. Er hat, um das zu vertiefen, seinen Medien eine derart zielgerichtete Treffsicherheit verschafft, dass es ihm genügt, sich selbst 2.000 Euro im Monat auszuzahlen und den Rest mit Inseraten gegenzufinanzieren.
So, und jetzt erzählt er mir en passant, wenn nicht gerade von Peter Turrini oder seinen Lieblingsmalern aus dem gediegensten österreichischen Jahrhundertwende-Impressionismus die Rede ist, das Folgende: Er hört auf, die jeweils letzten Druckexemplare seiner vier Kernprodukte erscheinen im März, Mai und Juni. Er will dann mit dem kompletten Verlag ins Internet gehen, sagt er mir.
Aber, lieber Christian, da Du Dich nach einem groben Überschlag meinerseits schon ein gutes Dutzend Mal verabschiedet hast, und das für alle Zeiten, bin ich noch hoffnungsvoll skeptisch. Und da Du und Deine Frau von Grund auf kultivierte Menschen seid, referiere ich jetzt nicht auf die Abschiedstourneen der Rolling Stones oder Gott bewahr auf Sebastian Kurz, von dem auch niemand sagen kann, was es mit seinem Nie-Wieder auf sich hatte. Sondern auf die unvergessene große Operndiva Christa Ludwig, die nach ihrem Rückzug mit einer ausgedehnten Abschiedsrunde noch gut eine halbe Generation an ihrer Kunst teilhaben ließ.
Das erwarte ich auch von Dir, wobei ich nicht ausschließen will, dass Du Dich demnächst auch dem Operngesang zuwenden könntest. Lieber Christian, es ist mir ein stetes, unvermischtes und ungemindertes Vergnügen, Dich und Deine Frau zu kennen. Gäbe es Dich nicht, wäre es sogar eine Berufsoption, Dich zu erfinden, aber nur auf Gegengeschäft.
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