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Werberat stellt sich gegen Junk-Food-Verbote

Der Werberat nutzt eine neue Elternstudie, um politische Werbeverbote für Kinderlebensmittel abzuwehren.

27.11.2025 11:46
Redaktion
© Schiffl / Klimpt / ÖWR
ÖWR-Präsident Michael Straberger, ÖWR-Vizepräsidentin Roswitha Hasslinger

In Großbritannien ist das Thema längst entschieden: Ab Jänner 2026 gilt ein umfassendes Werbeverbot für Junk-Food in TV und digitalen Kanälen vor 21 Uhr. Die britische Regierung reagiert damit auf den langjährigen Druck von Gesundheitsorganisationen, die den Einfluss kommerzieller Kommunikation auf Essgewohnheiten wissenschaftlich belegt sehen. Die politische Schlussfolgerung in London: Weniger Werbung bedeutet weniger Versuchung.

In Österreich klingt derselbe Diskurs merklich anders. Während Großbritannien reguliert, legt der Österreichische Werberat kurz vor Jahresende eine neue „Elternbefragung 2025“ vor – und lenkt die Verantwortung für kindliches Übergewicht in eine andere Richtung.

Werbung? Spielt laut Studie nahezu keine Rolle. Eltern? Tragen laut denselben Daten die Hauptverantwortung. Das Ergebnis wirkt weniger wie ein Befund als eine Botschaft. Als Studienleiterin wird ÖWR-Vizepräsidentin Roswitha Hasslinger genannt.

Eigenverantwortung statt Regulierung

Der Werberat setzt die Tonspur klar: Nicht Medien, nicht Marken, nicht Influencer seien primär dafür verantwortlich, dass immer mehr Kinder übergewichtig sind – sondern das Verhalten der Eltern und deren Ernährungswissen. Die vorgelegten Charts zeigen eine fast identische Schwerpunktsetzung wie in der Vorgängerstudie 2021: Die Familie als Zentrum des Problems, Werbung als Randnotiz.

Gleichzeitig werden Maßnahmen, die in vielen Ländern als Standard gelten – etwa die Einschränkung von Lebensmittelwerbung für Kinder – von den Befragten als unwirksam eingestuft. Der Werberat präsentiert dies als demokratisch legitimierten Befund: Die Bevölkerung wolle Aufklärung und Bewegung, aber keine Verbote. Ein Argument, das in der Werbebranche seit Jahren hoch im Kurs steht.

Werbeverbote als „kurzsichtig“ gerahmt

Damit verschiebt der Werberat die Debatte vom System zurück ins Private. Wo Großbritannien strukturelle Eingriffe setzt, argumentiert der österreichische Selbstkontrollrat für individuelle Verantwortung – und damit implizit gegen staatliche Regulierung.

Dass der Werberat damit kommunikativ näher an der Lebensmittelindustrie und den werbetreibenden Marken agiert als an einer unabhängigen Kontrollinstanz, ergibt sich aus der Schlagrichtung der Präsentation fast von selbst. Die Branche soll nicht abgewertet, sondern entlastet werden. Werbung wird zur „wichtigen Informationsquelle“, Verbote werden als „kurzsichtig“ gerahmt.

Zwischen den Zeilen liest man vor allem eines: Die Werbewirtschaft will nicht in denselben Sog geraten wie die britische. Und sie will verhindern, dass Österreichs Politik die Debatte importiert.

Was der Befund bewirken soll

Für die Medienbranche ist die Studie daher weniger Verbraucherforschung als strategische Positionierung. Sie liefert Zahlen, die im politischen Prozess verwertbar sind. Und sie kommt zu einem Zeitpunkt, an dem europäische Regulierungen anziehen und NGOs verstärkt auf die Auswirkungen von Markenkommunikation bei Kindern hinweisen.

(red)

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