Anzeige

So erklärt die GPA die Mini-KV-Erhöhung im Handel

Kommunikation am Limit: Gewerkschafter Mario Ferrari muss eine Lohnerhöhung unter der Teuerung als Erfolg verkaufen.

25.11.2025 11:04
Redaktion
© APA/HELMUT FOHRINGER
Der GPA-Bundesgeschäftsführer und gewerkschaftliche Chefverhandler für den Handels-KV Mario Ferrari.

Es ist ein Ritual der österreichischen Sozialpartnerschaft: Einer verhandelt hart, der andere verkauft das Ergebnis. Und manchmal muss man einen Kompromiss verteidigen, der für die eigene Klientel wenig schmeichelhaft ist. Genau in dieser Lage befindet sich GPA-Bundesgeschäftsführer Mario Ferrari. Der neue Handels-KV bringt 2,55 Prozent – bei 3 Prozent Inflation. Und betrifft 430.000 Beschäftigte sowie 20.000 Lehrlinge, also jene Gruppe, die ohnehin zu den am knappsten kalkulierenden Einkommensbeziehern des Landes zählt.

Der Versuch einer Erklärung

Ferrari spricht von einem „sozialpartnerschaftlichen Kompromiss in schwierigen Zeiten“. Der Hinweis auf das Gesamtumfeld begleitet nahezu jeden KV-Abschluss dieser Branche. In der Kommunikation wird es für ihn dennoch herausfordernd: Wie erklärt man dem eigenen Klientel, das seit Jahren mit realen Kaufkraftverlusten konfrontiert ist, dass die Erhöhung erneut unter der Teuerung liegt?

Ferrari pflegt einen eigenen Stil. Er betont das „Gesamtpaket“, die „nachhaltige Erhöhung“ und Verbesserungen im Rahmenrecht – etwa Arbeitszeitfragen oder neue Modelle für Samstage. Diese Punkte sind aus gewerkschaftlicher Sicht zentrale Bestandteile des Verhandlungsergebnisses. In der öffentlichen Wahrnehmung verschieben sie jedoch den Fokus: Wer wenig verdient, misst die eigene Lage nicht an arbeitsrechtlichen Satzungen, sondern am Wocheneinkauf.

Gerade im Handel – jener Branche, in der der Preisauftrieb seit Jahren besonders spürbar ist – wird argumentiert, höhere Löhne würden die Preise weiter erhöhen. Die Realität ist eine andere: Große Handelsketten arbeiten mit stabilen Margen und einem strukturellen „Österreich-Aufschlag“, der längst im Markt verankert ist.

Für kleinere Handelsbetriebe mag ein niedriger KV-Abschluss etwas mehr Luft zum Atmen bieten, aber dass es primär um diese Betriebe geht, erscheint vielen unrealistisch.

Das Klientel bei Laune halten

Noch schwieriger ist die Kommunikation gegenüber den Lehrlingen. Sie werden offiziell als Nachwuchshoffnung aufgebaut, sind aber faktisch das Fundament eines Systems, das auf günstigen Arbeitskräften basiert. Das Gefühl, austauschbar und unterdotiert zu sein, ist in dieser Altersgruppe weit verbreitet. Eine Mini-Erhöhung unter der Teuerung trägt nicht dazu bei, die Branche attraktiver zu machen.

Ferrari versucht deshalb, die kleinen Verbesserungen im Rahmenrecht als Zukunftsinvestition zu präsentieren: mehr Planbarkeit, höhere Arbeitszeitqualität, flexiblere Modelle. Doch diese Argumente erreichen die meisten Lehrlinge nicht – sie denken in Monatsnetto, nicht in Paragraphen. Der Gedanke, dass die Jungen etwas mehr bekommen, um bei Laune gehalten zu werden, damit sie der Niedriglohnbranche nicht den Rücken kehren, liegt auf der Hand.

Ein Ergebnis, das niemand feiern will

Dass der Abschluss überraschend schnell erfolgte, ist ein weiterer kommunikativer Stolperstein. Ein „Kompromiss“ nach drei Runden wirkt nicht wie eine hart errungene Abwehrschlacht für die Beschäftigten. Die Arbeitgeber wiederum sprechen von einem „Signal der Sozialpartnerschaft“ – und meinen damit: Stabilität für ihre Kostenstruktur.

Selbst IHS-Chef Holger Bonin, wahrlich kein Klassenkämpfer, sagt im Ö1-Morgenjournal: „Da hätte man eigentlich erwartet, dass man über die Inflation geht.“ Er spricht von „Abstrichen für die Arbeitnehmer“, räumt aber ein, dass es „wenig zu verteilen“ gebe. Und er formuliert jene Logik, die politische Kommunikation seit Monaten prägt: Weniger Lohn bedeutet weniger Preisdruck – ein Argument, das aus Sicht der Betroffenen zynisch wirkt.

Ein Kommunikationsfall

Der Gewerkschaftsbund kämpft nicht nur um Prozentpunkte, sondern um Glaubwürdigkeit. Der KV steht – das Narrativ wackelt. Wie verkauft man einen Abschluss, der objektiv ein Reallohnverlust ist? Ferrari versucht es mit Pragmatismus, mit Verweis auf wirtschaftliche Zwänge, mit appellativer Sozialpartnerschaft.

Doch 430.000 Menschen können sich künftig real weniger leisten. Und der historische Song „Sixteen Tons““I owe my soul to the company store” – klingt nicht von ungefähr an, wenn Beschäftigte Mitarbeiterrabatte im eigenen Supermarkt als Vorteil präsentiert bekommen.

Die Verhandler haben ihren Job gemacht. Aber die kommunikative Leistung auf Seiten des Chefverhandlers bleibt unter Inflation.

(red/key)

Anzeige
Anzeige
Anzeige
Anzeige
Beitrag teilen

Das könnte Sie auch interessieren