Wie jugendfrei ist fritz-Cola wirklich?
Wenn PR auf Popkultur trifft, bleibt nicht immer klar, wer hier eigentlich wachgerüttelt werden soll.

Mutter, der Mann mit dem Koks ist da – wer diese Zeile kennt, ist entweder Falco-Fan oder hat die 80er nicht komplett verschlafen. Dass ausgerechnet eine Limonadenmarke diesen ikonischen Satz nun als Werbeslogan recycelt, lässt tief blicken: in die Mechanik moderner PR-Kampagnen, in die Logik des kalkulierten Tabubruchs – und in die schwarze Brühe der sogenannten „Gen Z-Ansprache“.
fritz-kola, das Hamburger Koffein-Kollektiv, das niemals als Nachahmer der legendären Afri-Cola betrachtet werden sollte, bringt mit seiner neuen Wien-Kampagne mehr mit als nur Sprudel. Es bringt Graffiti, Streetart, ein erfundenes Taxi und einen Slogan, der einst die halbe Nation in Schnappatmung versetzte. Und heute? Wird damit ein Gewinnspiel beworben, bei dem sich schon Zwölfjährige einen Jahresvorrat „Wachmacher“ sichern dürfen. Oder doch schon Sechsjährige, solange sie ein Handy halten können?

In Österreich gibt es keine gesetzlich festgelegte Altersgrenze für den Verkauf oder Konsum von koffeinhaltigen Erfrischungsgetränken wie fritz-kola. Rechtlich gesehen dürfen also auch Kinder und Jugendliche fritz-kola kaufen und trinken.
Guerilla mit System
Die Kampagne startete Ende 2024 mit einer bewusst anonym gehaltenen Auftaktphase. Zunächst wurde an der Spittelauer Lände ein großflächiges Mural mit dem Schriftzug „kola-taxi“ und einer Telefonnummer angebracht – ohne erkennbare Absendermarke. Parallel dazu tauchten in Wien Wildpostings, Sticker und sogenannte Green Graffiti auf, die denselben Begriff verbreiteten. Die Gestaltung erweckte den Eindruck einer künstlerischen Intervention oder subkulturellen Aktion – geplant wurde sie von der Kreativagentur Obscura.

Wer die angegebene Nummer wählte, wurde nicht mit einem Fahrdienst verbunden, sondern landete in einem automatisierten WhatsApp-Dialog. Dort erfolgte die Auflösung: Es handelt sich um eine Gewinnspielkampagne von fritz-kola. Zu gewinnen sind zehn Jahresvorräte des koffeinhaltigen Getränks. Die Teilnahme erfolgt direkt im Chat, ohne Umleitung auf externe Websites.
Mit der bewussten Enttarnung des Absenders begann die zweite Kampagnenphase. Seit Anfang Juni 2025 wird die Aktion offen kommuniziert. Sie wird über Plakate, digitale Stelen im Handel, Social-Media-Kanäle, PR-Maßnahmen sowie auf den Flaschen selbst beworben. Am Point of Sale sorgen zusätzliche POS-Materialien für Sichtbarkeit. Die Kampagne läuft offiziell bis 31. Juli, die Bekanntgabe der Gewinner erfolgt im August.
Zwischen Koffein und Kokain
Dass ausgerechnet ein Satz mit Drogenkonnotation als Aufhänger für eine Softdrinkkampagne dient, scheint niemanden zu stören. Im Gegenteil – es unterstreicht das ironische Spiel mit Erwartungshaltungen. Der rebellische Sound ist Programm, die visuelle Anarchie sauber kalkuliert. Guerilla, aber mit Freigabe.
Und natürlich richtet sich das alles an die Gen Z – digitalaffin, ironiefest, koffeinerprobt. Sie darf sich wach trinken, am besten gleich flaschenweise. Und weil das Gewinnspiel auch für Jüngere offensteht, stellt sich durchaus die Frage: Ab wann darf man eigentlich legal teilnehmen? Zwölf? Sechs? Mit QR-Code oder nur mit Erlaubnis der Mama?
fritz-kola mag ein guter Stoff sein. Es entstand zu einer Zeit, als der Name Fritz schon ulkig klang und man daraus eine Limonadenmarke machen konnte, von der jeder wusste: Die ist cool, die ist hipp.
Und so dreht sich das Spiel weiter. Wenn Marken ein cooles Image aufgebaut haben, möchten sie es um jeden Preis behalten. Auch wenn sie älter geworden sind, die Jugend mittlerweile ganz anders tickt. Vielleicht, weil sie glauben, Ironie schütze vor Kalorien. Oder weil sie hoffen, der Stoff wirkt besser durch die Nase. Beides ein Irrtum. Das eine bleibt Falco. Das andere: fritz.
(red)