Wenn Journalisten Rechtsbeistand suchen
Der sprunghafte Anstieg juristischer Beratungen zeigt wie verletzlich journalistische Arbeit geworden ist.
Die Zahl spricht Bände: 118 Beratungsfälle registrierte der Rechtsdienst Journalismus des Presseclubs Concordia zuletzt innerhalb eines Jahres. Drei Jahre zuvor waren es noch 66. Seit der Gründung im Februar 2021 hat sich die Nachfrage damit beinahe verdoppelt. Was auf den ersten Blick wie ein Erfolg eines Serviceangebots wirkt, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Symptom struktureller Unsicherheit im Journalismus.
Druck von außen nimmt zu
Ein wesentlicher Teil der Fälle betrifft Journalisten, die über polarisierende Demonstrationen berichten. Regierungsproteste, Aufmärsche extremistischer Bewegungen oder Pro-Volksgruppen-Kundgebungen haben das Risiko physischer Übergriffe, Bedrohungen und Einschüchterungen deutlich erhöht. Hinzu kommen Konflikte mit Behörden – etwa Platzverweise oder Verwaltungsstrafen trotz zur Schau gestellter journalistischer Tätigkeit.
Auch politischer Druck spielt eine Rolle: verweigerte Auskünfte trotz Informationsfreiheitsgesetz, öffentliche Desavouierungen durch Mandatare oder der Ausschluss von Pressekonferenzen. Der rechtliche Rahmen für journalistische Arbeit ist komplexer geworden – und konfliktanfälliger.
Konflikte im eigenen Haus
Bemerkenswert ist jedoch ein zweiter Trend: Immer häufiger wenden sich auch festangestellte Journalisten an den Rechtsdienst. Nicht wegen äußerer Bedrohungen, sondern wegen arbeitsrechtlicher Auseinandersetzungen mit ihren eigenen Medienhäusern. Schrumpfende Rechtsabteilungen, zunehmender wirtschaftlicher Druck und unklare Verantwortlichkeiten verschärfen diese Entwicklung.
Ein aufschlussreiches Beispiel ist der Fall der ORF-Journalistin Sonja Sagmeister. Die langjährige Redakteurin hatte ein Interview mit dem damaligen Wirtschaftsminister Martin Kocher kritisch geführt und geriet danach in einen eskalierenden Konflikt mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Der ORF kündigte ihr, unter anderem mit Verweis auf Nebenbeschäftigungen.
Die Rolle der Arbeiterkammer
Traditionell gilt die Arbeiterkammer als erste Anlaufstelle bei arbeitsrechtlichen Fragen. Auch Journalisten wenden sich regelmäßig an sie. Doch im Fall Sagmeister wurde deutlich, dass diese Beratung nicht zwangsläufig zu realistischen Einschätzungen führt.
Die arbeits- und kollektivrechtlichen Rahmenbedingungen für Journalisten werden in Österreich maßgeblich von AK und ÖGB mitdefiniert. Der Journalismus wird dabei als Teil einer breit gefassten Arbeitnehmergruppe behandelt – unabhängig von publizistischen Besonderheiten oder redaktionellen Machtverhältnissen.
Presseclub Concordia
Dass Concordia beim Management unzufriedener Kollegen und Kolleginnen eine Anlaufstelle ist, scheint sich noch nicht überall in der Branche herumgesprochen zu haben. Auch nicht, dass der Presseclub dem AMS-finanzierten Ajour-Programm Räumlichkeiten bereitstellt – und im Gremium vertreten ist.
Concordias Vereinszweck ist die Wahrung der journalistischen Ethik und Pressefreiheit und der Einsatz für die Demokratie und die Freiheit der Meinungsäußerung. Mit dem Rechtsdienst Journalismus antwortet der Presseclub Concordia mit einem gezielten Programm zur rechtlichen Unterstützung von Journalist:innen und somit zur Stärkung der freien Berichterstattung.
(APA/red)