Was Medien zeigen dürfen – und was nicht
ExtraDienst sprach mit der Grazer Rechtsexpertin Prof. Susanne Kissich nach dem Attentat in Graz.

Dr. Susanne Kissich ist Professorin an der Universität Graz (Ehr-Recht).
ExtraDienst:
Frau Professorin, nach dem furchtbaren Vorfall in Graz gab es zahlreiche Medienberichte. In denen wurden aus unserer Sicht die Grenzen des Persönlichkeitsschutzes mehrfach überschritten. Diverse Tageszeitungen und Online-Plattformen zeigten Videos, auf denen Kinder flüchten und schreien, vereinzelt wurden sogar Videos vom verpacken von Leichen in Särge gebracht. Wie beurteilen Sie als Ehrrechtsexpertin diese Form der Berichterstattung?
Dr. Susanne Kissich:
Bei der Berichterstattung ist immer das Einverständnis der Betroffenen zu beachten. Meines Erachtens nach sind solche Videos nicht zulässig, wenn Personen identifizierbar sind. Oder in verletzlichen Situationen gezeigt werden. Verletzliche Situationen können solche sein, in denen sich Personen in einem psychischen Ausnahmezustand befinden.
ED:
Welche rechtlichen Möglichkeiten haben betroffene Personen, sich dagegen zu wehren?
Kissich:
Bei jeder Berichterstattung, die dem Medienrecht untersteht, kann man sich an den Presserat wenden und eine Beschwerde einlegen. Und rechtlich kann man sich dann wehren, wenn man identifizierbar ist. Dann verstößt das gegen das eigene Recht am Bild. Man könnte auf Unterlassung klagen.
ED:
Gibt es auch juristische Mittel direkt gegen das Medium, das solches verbreitet?
Kissich:
Ja. Es gibt auch Bestimmungen zum Schutz der Anonymität. Dieser Anonymitätsschutz kann ebenfalls gegenüber Medien geltend gemacht werden.
ED:
Wenn Sie sagen man kann sich an den Presserat wenden – der ist ja wohl – mit Verlaub ein eher zahnloses Instrument. Ohne direkte Sanktionen.
Kissich:
Das würde ich so nicht sagen, weil sich das ganz klar auf die Medienlandschaft auswirkt. Wenn Sie als Medium verurteilt werden, dann hat das zwar keine rechtliche Konsequenz. Aber ich glaube, es hat sehr wohl eine politische und gesellschaftspolitische Konsequenz.
ED:
Lassen Sie uns noch auf einen weiteren Aspekt eingehen: In den sozialen Medien wurde berichtet, der Täter sei ein Österreicher. Gleichzeitig wurde öffentlich gemacht, dass er armenische Wurzeln hat – samt Namen, Bild und Details aus seinem persönlichen Umfeld. Wären dagegen rechtliche Schritte möglich?
Kissich:
Immer dann, wenn es sich um unwahre Behauptungen handelt die da aufgestellt werden, kann man natürlich klagen. Ansonsten hat auch der Täter ein Recht auf Persönlichkeitsschutz. Es hängt immer davon ab, wie Informationen formuliert und aufbereitet werden.
ED:
Der Schutz gilt auch für das persönliche Umfeld eines Täters?
Kissich:
Natürlich. Es gibt den sogenannten postmortalen Persönlichkeitsschutz. Der kann dann von den Angehörigen geltend gemacht werden kann.
ED:
Da bleibt nur zu hoffen, dass das Prinzip der Sippenhaftung in Österreich längst der Vergangenheit angehört.
Kissich:
Ja. Ich hoffe, dass es so etwas in Österreich nie wieder geben wird.