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Verbotene Bücher bringen Antiquar vor Gericht

Ein Wiener Antiquar steht wegen NS-Literatur vor Gericht, obwohl seine Absichten ganz woanders lagen.

11.12.2025 16:55
Redaktion
© DALL.E / MGM / GKI

Ein 77-jähriger Wiener Antiquar muss sich wegen NS-Wiederbetätigung verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, in seinem Webshop Bücher aus der NS-Zeit öffentlich angeboten zu haben. Diese Schriften, die nach Ansicht der Anklage ohne Einordnung oder Kontextualisierung als Propagandamaterial gelten, fallen damit in die Logik der „verbotenen Bücher“. Dass die Werke aus dem Nachlass der Historikerin Brigitte Hamann stammen, die sich nachweislich nicht wiederbetätigt hat, spielt keine Rolle. Entscheidend sei allein, dass die Titel unter der Rubrik „Drittes Reich“ einem größeren Publikum zugänglich waren.

Mittlerweile wurde im Gerichtsprozess ein Urteil verkündet.

Die Linie der Staatsanwaltschaft

Eine rechte Gesinnung legt die Anklage dem Mann nicht zur Last. Und sie wäre für den Tatbestand auch irrelevant. Das Verbotsgesetz zielt ausschließlich darauf ab, ob der öffentliche Vertrieb geeignet ist, eine Wiederbetätigung zu ermöglichen. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft war genau das der Fall: Die Werke hätten ohne erklärenden Rahmen potenziell mehr als 30 Personen erreicht und damit den gesetzlichen Schwellenwert überschritten.

Dass dieselben Titel in österreichischen Bibliotheken entlehnbar sind, ändert an dieser juristischen Einschätzung nichts. Der Unterschied zwischen wissenschaftlichem Kontext und einem kommerziellen Anbieter ist für die Behörde entscheidend.

Die Verteidigung des Angeklagten

Der Antiquar sieht den Vorwurf völlig anders. Er betonte vor Gericht, er habe gerade verhindern wollen, dass rechtsextreme Interessenten Zugriff auf diese Werke erhalten. Kaufanfragen habe er überprüft, Namen recherchiert, Bestellungen bei Unsicherheit storniert. Ein System, das nach seiner Darstellung Missbrauch ausschließen sollte – und nun selbst als Teil des Problems erscheint.

Warnhinweise oder Kontextbeschreibungen habe er bewusst nicht eingesetzt, weil diese eher einschlägige Kreise anziehen würden. Andere Antiquariate, so sein Argument, verfuhren ähnlich.

Dass der Fall über juristische Fachkreise hinaus Aufmerksamkeit erzeugt, zeigte zuletzt ein Posting von Falter-Chefredakteur Florian Klenk, der auf Facebook die Frage stellte, wo genau hier die strafbare Handlung liege, wie der Vorsatz begründet werde und was eigentlich verhandelt werde.

Ein antifaschistisch verorteter Antiquar, historisches Material aus einer bekannten Sammlung, ein Verbotsgesetz, das bereits das bloße „Wie“ des Anbietens sanktioniert – und eine Staatsanwaltschaft, die den bedingten Vorsatz bejaht – genau an diesem Punkt entzündet sich der Streit: Was der Antiquar als Schutzmaßnahme verstand, wertet die Staatsanwaltschaft als bedingten Vorsatz.

Der Kern der Strafandrohung liegt nicht im Motiv des Händlers – welches für das Verfahren ohnehin keine Rolle spielt – sondern in der juristischen Auslegung seines Handelns.

Pointe zum Schluss

Dass ausgerechnet ein Mann, der nach eigener Darstellung besonders genau darauf achtete, wer NS-Literatur kaufen wollte, vor Gericht gebracht wurde, gehört zu jener Sorte Ironie, die sich nicht erfinden lässt. Die Absicht, besonders umsichtig zu handeln, wird zum Ausgangspunkt eines Verfahrens. Und das Gericht zeigt wenig Neigung, den betagten Händler angesichts des von der Staatsanwaltschaft behaupteten Vorsatzes rasch von der Leine zu lassen.

Vielleicht ist genau das die Pointe: Nicht alles, was gut gemeint ist, entzieht sich automatisch den strengen Formeln des Verbotsgesetzes. Und manchmal ist es gerade die Vorsicht – oder die Absicht – über die man stolpert.

Für den Antiquar ging die Sache glimpflich aus: Freispruch. – und auch der Antrag auf Einziehung der 30 Bücher wurde abgewiesen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Und während der Antiquar erklärte, bei seinen Recherchen auch das DÖW konsultiert zu haben, blieb eines auffallend unberührt: Welche Namen er in seinen Prüflisten durchging – und welche davon überhaupt je eine Rolle im Verfahren spielten.

(red)

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