Ungarns Transparenzgesetz sorgt für Kritik
Orbáns Regierung verwahrt sich vor ausländischer Einflussnahme – Medien-NGOs warnen eindringlich.

Ein neuer Gesetzesentwurf der ungarischen Regierung sorgt international für Aufsehen. Medienorganisationen wie die Internationale Journalisten-Föderation (IFJ), das New Yorker Committee to Protect Journalists (CPJ) und das International Press Institute (IPI) mit Sitz in Wien sehen in dem sogenannten „Transparenzgesetz“ einen Angriff auf die Pressefreiheit. Der Entwurf wurde in der Nacht auf Mittwoch ins Parlament eingebracht, wo die Regierungspartei Fidesz eine Zweidrittelmehrheit hält.
Der Gesetzestext sieht neue Regelungen für Organisationen und Medien vor, die „ausländische Quellen“ zur Beeinflussung des öffentlichen Diskurses nutzen. Die Annahme von Geldern – darunter auch Spenden oder Förderungen aus EU-Staaten – soll künftig genehmigungspflichtig sein. Das Gesetz zielt auf mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit externer Einflussnahmen ab, wie sie in anderen europäischen Ländern ebenfalls zunehmend diskutiert werden.
Kritik von NGOs
Internationale NGOs sprechen von einem „russischen Modell“ und fürchten um die Existenz unabhängiger Medien. CPJ-Vertreter Tom Gibson sprach von einem „beängstigenden Signal“, das die Medienvielfalt gefährde. Auch das IPI warnt in einer Aussendung vor einem „weiteren Meilenstein des demokratischen Niedergangs“. In der Erklärung heißt es, die Maßnahme widerspreche zentralen EU-Werten wie Medienpluralismus und Meinungsfreiheit.
In Ungarn selbst fällt die Bewertung differenzierter aus. Unterstützer des Gesetzes verweisen auf die zunehmende Intransparenz bei der Finanzierung von regierungskritischen Plattformen, deren Budget zu einem erheblichen Teil auf nicht nachvollziehbaren externen Quellen beruhe. Viele dieser Mittel stammen von internationalen Stiftungen oder privaten Förderprogrammen, deren Agenden und Einflussversuche öffentlich kaum diskutiert werden. Die Regierung sieht darin eine Bedrohung der nationalen Souveränität.
Medienfinanzierung
Anders als in vielen westlichen Staaten gibt es in Ungarn keine klassische Presseförderung. Die Finanzierung erfolgt in Teilen über staatliche Inserate – ein System, das zwar regelmäßig kritisiert wird, aber auch von anderen europäischen Ländern in ähnlicher Form praktiziert wird. Die Vergabe dieser Mittel ist im ungarischen Modell offenbar direkt in die staatliche Kommunikationsstrategie eingebunden. Inwieweit sie Blattlinien beeinflusst, Journalisten lenkt und abweichende Meinungen unterdrückt, bleibt zu hinterfragen.
Unabhängige Medien finanzieren sich neben Abo-Modellen vor allem über Spendenkampagnen und Förderungen – darunter auch Mittel aus dem Ausland, die nun durch das Transparenzgesetz offengelegt und reguliert werden sollen. Kritiker sehen darin eine Hürde für kritischen Journalismus, Befürworter sprechen von einem überfälligen Schritt zur Sicherung demokratischer Kontrolle.
Souveränitätsschutzgesetz
Bereits 2023 hatte die ungarische Regierung das „Souveränitätsschutzgesetz“ verabschiedet, das eine neue Aufsichtsbehörde mit weitreichenden Kompetenzen etabliert hat. Diese Behörde soll künftig auch jene Organisationen identifizieren, die nach Einschätzung der Regierung aus dem Ausland gesteuert werden. Die EU-Kommission hat hierzu ein Verfahren wegen möglicher Verstöße gegen Grundrechte eingeleitet.
Während internationale Organisationen Eingriffe in die Pressefreiheit befürchten, verweist die ungarische Regierung auf das legitime Interesse eines souveränen Staates, externe Einflussnahmen auf seine Medienlandschaft offenlegen und begrenzen zu dürfen – ein Standpunkt, der auch künftig für Kontroversen sorgen dürfte.
Österreichs Einfluss
Dass internationale Organisationen den medienpolitischen Kurs der ungarischen Regierung kritisch sehen, ist bekannt – weniger beleuchtet ist hingegen die Rolle, die österreichische Investoren im Vorfeld dieses Wandels spielten. Nachweislich übernahm etwa ein österreichischer Unternehmer mit Sitz in Wien über seine Beteiligungsgesellschaft Vienna Capital Partners das Nachrichtenportal Origo.hu, bevor es 2015 an regierungsnahe Eigentümer überging und einen klaren redaktionellen Kurswechsel vollzog.
Auch bei der späteren Formierung der KESMA-Medienstiftung (2018), die über 500 Medien auf regierungsfreundlicher Linie bündelt, stammen einzelne Titel ursprünglich aus privatwirtschaftlichen – unter anderem auch österreichischen – Vorbesitzverhältnissen.
Welche strategischen Überlegungen diesen Entwicklungen zugrunde lagen, bleibt ein Geheimnis – doch das österreichische Zwischenspiel markiert einen dokumentierten Wendepunkt.
(APA/red)