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Deutsche Ängste vor den Berlusconis

Mit der Übernahme der Privatsender-Gruppe durch MFE wächst in Deutschland die Skepsis vor den Italienern.

28.08.2025 16:18
Redaktion
© ProSiebenSat.1
ProSiebenSat.1 Zentrale in Unterföhring.

Eine der beiden großen deutschen Privatsender-Ketten liegt mit ziemlicher Sicherheit bald in Händen der Berlusconi-Familie. Der einst von dem italienischen Rechtspopulisten Silvio Berlusconi (1936-2023) gegründete Konzern Media for Europe (MFE) steht vor der Übernahme der absoluten Mehrheit beim TV- und Streaming-Anbieter ProSiebenSat.1. Die Italiener werden knapp 60 Prozent der Aktien halten.

Silvio Berlusconi ist seit zwei Jahren tot, doch sein Name bleibt das stärkste Ressentiment gegen den Einstieg seiner Familie in die deutsche TV-Landschaft. Von journalistischer Unabhängigkeit bis zu politischer Einflussnahme – viele Bedenken kreisen um die Vergangenheit des Vaters. Sein Sohn, Pier Silvio Berlusconi, der den Konzern MFE seit Jahren als Medienmanager führt, bleibt in dieser Debatte weitgehend unbeachtet. Die Frage liegt nahe: Geht es hier um reale Risiken oder um Sippenhaftung?

Doppelte Standards

Dass deutsche Politiker und Verbände plötzlich einen westeuropäischen Investor problematisieren, überrascht. Als US-Fonds wie KKR oder osteuropäische Finanzinvestoren bei ProSiebenSat.1 einstiegen, hielt sich die Kritik in Grenzen. Jetzt, da eine italienische Medienholding die Mehrheit übernimmt, wird mit Pathos von „Unabhängigkeit“ gesprochen – also jene, die man verteidigen möchte. Ein Begriff, der im internationalen Mediengeschäft als Signalwort dient. Übersetzt: Wir lassen uns nichts dreinreden und sprechen immer die Wahrheit.

Sendeprogramm

Wer die Debatte verfolgt, könnte meinen, ProSiebenSat.1 stehe für kritischen Journalismus und publizistische Tiefe, die mit einem Schlag bedroht wäre. Derweil dominieren Formate wie „Germany’s Next Topmodel“ oder Casting- und Realityshows, die längst zum Markenkern gehören.

Unterhaltung produziert man in Deutschland ebenso verlässlich wie in Italien – obwohl – darüber ließe sich streiten. Der Hinweis auf angebliche Qualitätsunterschiede wirkt dennoch unbegründet.

Politische Paranoia

Medienstaatsminister Wolfram Weimer spricht davon, ProSiebenSat.1 dürfe nicht zum „Werkzeug“ werden. Interessanter Gedanke – als ob das nicht längst Realität wäre. Jede große Sendergruppe ist Werkzeug: der Werbewirtschaft, der Quotenlogik, des politischen Klimas, für den Gewinn. Der Deutsche Journalisten-Verband wiederum warnt vor einer „rechtspopulistischen Dampfmaschine“. Solche Reflexe verraten eher ein Grundmisstrauen gegenüber allem, was nicht ins vertraute Raster passt – und in den vergangenen fünf Jahre zur neuen Normalität wurde.

Wahrnehmung und Wirklichkeit

Die Nervosität in Deutschland hat weniger mit Medienpolitik als mit Ängsten zu tun. Der Name Berlusconi löst bis heute Assoziationen aus, die sich nicht ausblenden lassen. Man denkt willkürlich an Show Girls. Mann fürchtet sich davor, dass nur noch leicht bekleidete Frauen das Wetter moderieren dürfen. Oder die italienische Regierung plötzlich ganz vernünftig dargestellt wird. Was auch immer die Gründe sein mögen – dass MFE von Synergien, Sparzielen und europäischem Pluralismus spricht, geht im Getöse unter.

Am Ende bleibt eine simple Frage: Warum soll eine italienische Mediengruppe gefährlicher sein als andere Fonds oder Finanzinvestoren? Kartellrechtlich gibt es keine Hürden für das Geschäft. Die Übernahme wurde bereits 2023 der Europäischen Kommission sowie 2024 der Bundeswettbewerbsbehörde zur Prüfung vorgelegt. Damals hatten die Berlusconis die Grenze von 25 Prozent überschritten.

(APA/red)

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