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„profil“ holt seine Enthüllungen auf die Bühne

Das Nachrichtenmagazin bringt seine bekanntesten Recherchen ins Theater und riskiert schlechte Kritiken.

23.04.2025 17:32
Redaktion
© Bruno Klomfar
Theater Akzent

Im Rahmen der Reihe „55 Jahre unbequeme Wahrheiten“ bringt das Nachrichtenmagazin profil fünf seiner größten Recherche-Themen – von René Benko und Wirecard bis zur Waldheim-Affäre – auf die Bühne des Wiener Theater Akzent. Auftakt ist am 17. Mai (Benko-Abend), gefolgt von 17. Juni (Wirecard & „Putins Spione“) sowie drei Terminen im Herbst. Neben der profil-Chefredakteurin Anna Thalhammer treten Juristinnen, Politikerinnen und Historiker*innen auf, musikalisch begleitet von Clara Luzia und OSKA.

Aufdecker spielen Theater

Der erste Themenabend thematisiert den Aufstieg und Fall von René Benko – und stellt damit gleich zu Beginn eine publizistische Herausforderung: Benko befindet sich zwar seit Jänner 2025 in Untersuchungshaft, ein Urteil liegt jedoch nicht vor. „Wie konnte Benko alle täuschen?“ klingt nach Rückschau – ist aber bei laufendem Verfahren formal eine Tatsachenbehauptung. Die Unschuldsvermutung bleibt rechtswirksam – auch auf der Bühne.

Ebenfalls heikel: der Abend im Juni mit dem Titel „Wirecard & Putins Spione“. Thalhammer schildert darin ihre eigene Beobachtung durch eine bulgarische Agentin. Die Frau wurde im Dezember 2024 festgenommen und hat in einem richterlich dokumentierten Geständnis zugegeben, Fotoaufträge (inkl. Redaktionsgebäude und Lieblingslokal der Journalistin) angenommen zu haben – gegen eine Bezahlung. Bisher gibt es weder Anklage noch gerichtliche Konsequenzen.

Die Gratwanderung

Dass „profil“ seine Arbeit sichtbar machen will, ist ein innovativer Zugang, der das Genre Reportage für ein neues Publikum öffnet. Doch gerade bei laufenden Verfahren oder offenen Ermittlungen sind die Grenzen fließend.

Theater verlangt Dramaturgie, Identifikationsfiguren, Zuspitzung. Im seriösen Journalismus ist ein Schauspielhaus kein üblicher Aufführungsort für Faktengenauigkeit.

Dass aus Aufklärung Inszenierung, aus Analyse Moralismus, aus Partizipation Selbstdarstellung wird, liegt nahe. Die Idee, investigativen Journalismus künstlerisch zu begleiten, funktionierte zuletzt in den 70er-Jahren im Streifen „All the President’s Men“ unter der Regie von Alan J. Pakula.

ExtraDienst meint

„profil“ will nicht nur die Meinungsfreiheit, sondern auch die Kunstfreiheit für sich beanspruchen. Aber je berühmter das Format, desto schärfer die Pflicht zur Trennung von Fakt und Fiktion. Wer seine Rolle als Aufdecker auf die Bühne bringt, sollte nicht zum Regisseur der eigenen Wahrheitsinszenierung werden. Sonst steht am Ende die Selbstinszenierung des Mediums im Rampenlicht und weniger die Glaubwürdigkeit.

(red)

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