Meinungsfreiheit in Europa verschlechtert sich
Laut UNESCO schrumpft die Meinungsfreiheit seit 2020 deutlich auch in Europa und Nordamerika.
Die UNESCO schlägt Alarm: Weltweit ist die Freiheit der Meinungsäußerung zwischen 2012 und 2024 um zehn Prozent gefallen. Besonders markant ist der Bruch ab dem Jahr 2020. Was früher Ausnahmen waren, wird laut Bericht zur neuen Normalität – Selbstzensur, rechtlicher Druck und digitale Überwachung. Auch Europa ist davon nicht ausgenommen.
Selbstzensur wird Alltag
Der UNESCO-Index zeigt nicht nur abstrakte Kurven, sondern konkrete Folgen im Alltag von Medienschaffenden. Heikle Themen wie Korruption, Umweltvergehen oder Menschenrechte werden zunehmend gemieden. Nicht, weil sie irrelevant wären – sondern weil das Risiko steigt. Gesetze gegen Hassrede, Verleumdung oder „Desinformation“ werden in mehreren Ländern auch gegen Journalisten und Privatpersonen eingesetzt. Der Effekt ist kalkulierbar: Wer nicht sicher weiß, wo die Grenze verläuft, schweigt lieber.
Europa keine Komfortzone mehr
Westeuropa und Nordamerika gelten zwar weiterhin als Regionen mit vergleichsweise hoher Freiheit. Doch auch hier diagnostiziert die UNESCO eine klare Verschlechterung. In Ländern wie Deutschland und Großbritannien hat sich die staatliche Eingriffstiefe seit der Pandemie spürbar erhöht – insbesondere im digitalen Raum. Ermittlungen, Anzeigen und Verurteilungen wegen Social-Media-Äußerungen sind kein Randphänomen mehr. Ob Geldstrafen, Bewährungsauflagen oder in Einzelfällen Haft: Die Botschaft kommt an. Wer öffentlich aneckt, riskiert rechtliche Konsequenzen.
Das verändert das Meinungsklima. Nicht nur Journalisten, auch Bürger passen Sprache und Haltung an. Meinungsfreiheit existiert formal weiter – faktisch wird sie vorsichtiger genutzt.
Pandemie als Wendepunkt
Die UNESCO sieht den Beginn der Entwicklung klar ab 2020. In Krisenzeiten, so der Befund, wächst der politische Drang zur Kontrolle. Parlamente und Justiz verlieren an Gewicht, Polarisierung nimmt zu, das Vertrauen in Informationen sinkt. Gleichzeitig greifen Regierungen häufiger zu Überwachungsinstrumenten und juristischen Mitteln, um öffentliche Debatten zu steuern.
Positiv vermerkt der Bericht zwar mehr internationalen Investigativjournalismus und neue Bürgermedien. Doch das ändert nichts an der Kernbotschaft: Die Freiheit, eine eigene Meinung zu äußern, ist in Europa fragiler geworden.
(APA/red)