Heimatforscher – die unterschätzten Journalisten
Eine ORF-Doku zeigt, wie historische Recherche dort stattfindet, wo sonst kaum jemand hinsieht.

Was Journalisten als investigative Recherche bezeichnen, ist für viele oberösterreichische Heimatforscher Alltag. Sie hinterfragen alte Wahrheiten, belegen neue Lesarten – oft ehrenamtlich, selten öffentlich sichtbar – und doch stoßen sie immer wieder auf Widerstand. Die Parallelen zwischen Heimatforschern und Journalisten stechen ins Auge.
Die ORF-Doku „Heimatforscher – Die unterschätzten Historiker“ (25. Mai, 16:30 Uhr, ORF2), eine Produktion aus dem ORF Landesstudio Oberösterreich, holt diese stille Recherchearbeit nun vor die Kamera. Und zeigt: Heimatforschung ist journalistischer, als viele glauben.
Recherche ohne Deadline
Franz Hauser etwa dokumentiert mit seinem Projekt Atterwiki nicht nur die Geschichte von 14 Gemeinden im Salzkammergut, sondern liefert mit digitaler Akribie das, was im Lokaljournalismus längst verloren gegangen ist: Kontext, Quellen und die Geschichte hinter der Geschichte. Wilhelm Hochreiter widerlegt mit Archivarbeit die offizielle Gründungslegende der Evangelischen Volksschule Salzburg – ein Scoop, der in jedem Magazin seinen Platz fände. Und der pensionierte Redakteur Werner Pöchinger dekonstruiert die hartnäckigen Mythen um Bauernführer Stefan Fadinger, inklusive falscher Wikipedia-Einträge und geografisch verirrter Gedenksteine.
Quellenlage statt Quote
Während journalistische Recherchen oft unter Produktionsdruck stehen, erlauben sich Heimatforscher den Luxus der Tiefe. Sie entschlüsseln Kurrentschrift, graben in Diözesanarchiven, dekonstruieren touristische Erzählungen. Dass ihre Erkenntnisse nur selten den Weg in überregionale Medien finden, liegt nicht an mangelnder Relevanz, sondern an fehlender Sichtbarkeit. Ihre Ergebnisse werden oft nicht publiziert, sondern bestenfalls ausgestellt.
Historiker Roman Sandgruber nennt sie die „Fußtruppe der Geschichtsforschung“. Und auch wenn der wissenschaftliche Diskurs fehlt, ist die journalistische Methode da: Quellenkritik, Faktengenauigkeit, Widerspruch gegen bequeme Narrative.
Die mediale Lücke
Die Doku von Wolfgang Marecek (ORF Oberösterreich) dokumentiert diese Arbeit mit Gespür für ihre gesellschaftliche Bedeutung. Sie zeigt, dass gerade im Lokalen jene Geschichten schlummern, die große Medien selten erzählen: die abgestürzte Postkarte vom Wasserflugzeug, die Luftbrücke für Sommerfrischler oder das Schulmuseum mit revidierter Gründungslegende.

Was die Heimatforscher in dieser Doku zeigen, ist investigatives Arbeiten im besten Sinn: Sie suchen nach Widersprüchen, wühlen sich durch Archive, entlarven falsche Legenden und rekonstruieren vergessene Zusammenhänge. Ihre Recherche beginnt oft dort, wo offizielle Quellenangaben versiegen. Es ist jene Art von journalistischer Arbeit, die man auch im tagesaktuellen Redaktionsalltag gerne öfter haben würde. Denn während viele Redakteur:innen heute ihren Tag mit dem Durchforsten von Agenturmeldungen verbringen, beginnt die spannendste Recherche heute oft am Küchentisch, im Keller – oder im Archiv eines Heimatvereins. Wer hinschaut, findet Geschichten. Man muss nur anfangen zu graben.
„Heimatforscher – Die unterschätzten Historiker“
ERLEBNIS ÖSTERREICH am Sonntag, 25. Mai 2025 um 16.30 Uhr in ORF 2.
(red)
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