Debatte um Waffenrecht nach dem Graz-Attentat
Nach dem Amoklauf in Graz gerät das österreichische Waffengesetz ins Visier der Politik.

Der mutmaßliche Amokläufer von Graz hatte seine Waffen offenbar legal besessen – eine Schrotflinte und eine Faustfeuerwaffe der Kategorie B. Beide kamen bei der Tat zum Einsatz und wurden laut Direktor für öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, am Tatort gefunden. Damit rückt die Frage in den Vordergrund, wie leicht Waffenbesitz in Österreich tatsächlich möglich ist – und ob das aktuelle Gesetz den Anforderungen einer veränderten Sicherheitslage gerecht wird.
Kritik an psychologischen Gutachten
Für Waffen der Kategorie B ist eine Waffenbesitzkarte erforderlich, samt psychologischem Gutachten und Nachweis der sicheren Handhabung. Ruf bestätigte, dass der Täter die Voraussetzungen formal erfüllt haben müsse – sonst wäre der Besitz nicht legal möglich gewesen. Der Fall wirft jedoch Fragen zur Wirksamkeit des psychologischen Gutachtens auf: Es reiche etwa aus, anzugeben, man wolle sich in den eigenen vier Wänden verteidigen.
Zwar sei das Führen solcher Waffen im öffentlichen Raum ausdrücklich verboten – dennoch trug der Täter sie bei der Tat bei sich. Ruf sprach sich dafür aus, mögliche Gesetzeslücken zu schließen. Eine politische Diskussion sei in solchen Fällen unerlässlich.
Kahr fordert komplettes Waffenverbot
Elka Kahr, Bürgermeisterin von Graz (KPÖ), ging in der ZIB2 einen Schritt weiter und forderte ein generelles Schusswaffenverbot für Privatpersonen. Nur Polizei und Exekutive sollten Waffen tragen dürfen, Ausnahmen könne man für Jagd und Sport regeln. Auch die Bundes-KPÖ stellte sich hinter diesen Vorstoß.
Unterstützung kam von den Grünen: Abgeordnete Meri Disoski sprach sich für regelmäßige psychologische Überprüfungen aus. Das österreichische Waffengesetz zähle zu den liberalsten in Europa und weise „offenkundige Lücken“ auf – besonders beim psychologischen Screening. Ein generelles Verbot fände derzeit im Parlament jedoch keine Mehrheit.
Bundespräsident und Sicherheitsrat involviert
Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen meldete sich zu Wort. Bei einem Besuch in Graz stellte er eine Gesetzesänderung in den Raum und forderte eine Überprüfung, wie es einem 21-Jährigen möglich war, sowohl Kurz- als auch Langwaffen zu erwerben und entsprechende Munition zu kaufen. Der Nationale Sicherheitsrat soll am Donnerstag erste Lehren aus dem Fall ziehen.
Die Regierung reagierte bislang zurückhaltend. ÖVP, SPÖ und NEOS betonten, dass derzeit die Trauer um die Opfer im Vordergrund stehe. Inhaltliche Konsequenzen würden auf Basis der laufenden Ermittlungen geprüft.
FPÖ warnt vor „Symbolpolitik“
Die FPÖ wies Forderungen nach schärferen Gesetzen zurück. Eine Verschärfung sei „reine Symbolpolitik“ und könne als Generalverdacht gegenüber unbescholtenen Bürgern wirken. Es gebe keinen Beleg, dass strengere Waffengesetze automatisch zu mehr Sicherheit führten. Kein Gesetz der Welt könne Taten wie jene in Graz verhindern, so die freiheitliche Argumentation.
Zahl der Waffen steigt weiter
Die Zahl der privaten Waffenbesitzer in Österreich steigt weiter: Mit Stichtag 1. Juni 2025 sind über 1,5 Millionen Waffen registriert – mehr als 374.000 Personen verfügen über eine gültige Berechtigung. Die Waffen sind in drei Kategorien unterteilt, wobei Waffen der Kategorie A (verbotene Waffen) inzwischen mehr als 143.000 Mal registriert sind.
Eine Gesetzesnovelle im Jahr 2020 hatte zwar die Regeln für Sportschützen und Jäger verschärft, gleichzeitig aber auch die Kategorien C und D zusammengelegt – was faktisch zu einem Anstieg der erfassten Waffen führte.
Psychotest kein Hindernis
Kommentar: Die Debatte um das Waffengesetz offenbart einen zentralen Schwachpunkt: Die psychologische Prüfung vor dem Waffenerwerb gilt vielen als reine Formalität. Wer weiß, was zu sagen ist, kann das System mit Leichtigkeit austricksen. Solange dieser Zugang nicht neu geregelt wird, bleibt der legale Erwerb von Waffen in Österreich auch für potenziell gefährliche Personen erschreckend einfach.
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(ORF/red)