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Herbst für die Lohnrunden-Sozialpartnerschaft

Die aktuellen Lohnverhandlungen der Sozialpartner zeigen, wie sehr Kommunikation das Ergebnis prägt.

23.09.2025 17:30
Redaktion
© Adobe

Der zweijährige Metaller-KV wurde im September mit einer unter der Inflation liegenden Anpassung abgeschlossen. Gewerkschaft und Wirtschaftskammer präsentierten das Ergebnis als „starkes Signal der Sozialpartner“. ÖGB-Chef Wolfgang Katzian hatte kurz zuvor betont: „Was liegt, das pickt.“ Doch weil die Teuerung über der vereinbarten Schwelle liegt, griff die Öffnungsklausel – und das Ergebnis musste neu verhandelt werden.

Signalwirkung für den Handel

Der Blick richtet sich nun auf den Handel. Dort gilt ein im Vorjahr vereinbarter Doppelabschluss, der ebenfalls mit einer Öffnungsklausel versehen ist. Handelsobmann Rainer Trefelik erklärte beim WKÖ-Handelstag, der Metallerabschluss werde auch seine Branche „beschäftigen“. WKÖ-Präsident Harald Mahrer sprach von einem Zeichen, das auch der Handel brauche. Minister Wolfgang Hattmannsdorfer betonte die „Express-Einigung“ der Metaller als Rückenwind für kommende Gespräche.

Für 2026 war im Handel eine gestaffelte Automatik vorgesehen: Bei niedriger Inflation wären Zuschläge aufgeschlagen worden, ab drei Prozent muss neu verhandelt werden. Genau dort bewegen wir uns jetzt. Die entscheidende Zahl liefert die Schnellschätzung der September-Inflation am 1. Oktober. Die bisherige rollierende Teuerung liegt bei 2,8 Prozent. Ein Abschluss knapp darunter, flankiert von Einmalzahlungen oder Lehrlingsregelungen, gilt als wahrscheinlich.

Regierungslinie: Weniger ist mehr

Bundeskanzler Christian Stocker begründete das Lob für den Metallerabschluss damit, dass moderate Lohnsteigerungen helfen, das Inflationsziel von zwei Prozent zu erreichen. Fachlich stimmt: geringere Lohnzuwächse können Preissteigerungen bremsen. Doch aktuelle Prognosen von OeNB und EU-Kommission rechnen für 2025 mit einer Inflation von über drei Prozent. Der Weg zu „2 %“ ist also länger, als es die Regierungsspitze darstellt.

Für die Beschäftigten bedeutet ein Abschluss unter der Inflation dennoch realen Kaufkraftverlust.

Frühstarter BABE

Ein anderes Bild ergibt sich bei den BABE-Kollektivverträgen im Bildungsbereich. Sie wurden bereits im Frühjahr abgeschlossen und traten mit 1. Mai 2025 in Kraft. Heuer beträgt die Erhöhung +3,0 Prozent (Ist) und +3,1 Prozent (Mindestgehälter). Im Jahr davor waren es noch +7,7 Prozent, 2023 sogar +9,6 Prozent. Wer früh abschließt, steht abseits der großen Herbstdebatten und erzielt dennoch solide Ergebnisse. Das Muster wiederholt sich regelmäßig – Branchen mit enger Verankerung im ÖGB suchen sich ihren Zeitpunkt, wenn die Aufmerksamkeit gering ist.

Offene Beamtenrunde

Die Beamtengehälter gelten als eigentlicher Lackmustest. Der Doppelabschluss sah für 2024 +9,15 Prozent, für 2025 +3,5 Prozent vor. Für 2026 wurde ein Plus von 0,3 Prozentpunkten über der Inflation vereinbart. Genau dieser Teil steht nun auf dem Prüfstand. Regierung und ÖGB sprechen über ein mögliches Aufschnüren, ein Termin liegt jedoch nicht vor.

Branchen und Stimmen

Während Metaller, Handel, Beamte und Eisenbahner die Schlagzeilen dominieren, verlaufen die Abschlüsse in kleineren Bereichen still. In der Werbung gab es heuer +3,85 %, bei Zeitschriften und Fachmedien sowie für Redakteure jeweils +3,1 %. Diese Werte liegen zwar über dem heurigen Metallabschluss, bleiben aber im mehrjährigen Vergleich hinter jenen Sprüngen, die Leitbranchen wie der öffentliche Dienst oder der Bildungsbereich verzeichnen konnten. Zudem sind die Einstiegsgehälter in Marketing und Journalismus deutlich niedriger – die reale Einkommenssituation unterscheidet sich kaum von jener im Handel.

Eisenbahner-Boom

Die Eisenbahnergewerkschaft verwies in der aktuellen Debatte auf hohe Nachfrage, viele Überstunden und einen steigenden Personalbedarf. Tatsächlich meldeten die ÖBB 2024 einen Fahrgastrekord von 511 Millionen. Gleichzeitig wurde der Rahmenplan 2025–2030 im Budget gekürzt, Investitionen fielen geringer aus. Das Bild ist gemischt: starke Nachfrage, aber weniger Spielraum auf der Finanzierungsseite.

Kein KV – null Erhöhung

Besonders deutlich wird die Schlagseite der Sozialpartnerschaft bei jenen Beschäftigten, die überhaupt keinem Kollektivvertrag unterliegen. Laut Sozialministerium sind zwar rund 95 Prozent der Arbeitnehmer:innen in Österreich durch Kollektivverträge abgesichert, doch knapp fünf Prozent fallen durch das Netz. Für sie gibt es keine automatische Lohnerhöhung, keine Einmalzahlungen, keine verhandelte Anpassung an die Inflation.

ÖGB im Fokus

Die Sozialpartnerschaft präsentiert sich nach außen geschlossen. Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich: starke und gut organisierte Branchen sichern sich solide Ergebnisse, früh und mit klarer Kommunikation. Andere Sektoren, in denen viele Angestellte arbeiten, bleiben im Schatten. Und wer ganz ohne KV dasteht, bekommt gar nichts.

Hier stellt sich die Frage nach der Rolle des ÖGB. Als Mitgliederorganisation konzentriert er seine Energie naturgemäß auf jene Bereiche, in denen er stark verankert ist. Für viele Arbeitnehmer:innen ohne KV oder in schwächeren Branchen bedeutet das aber: geringere Steigerungen, kaum mediale Sichtbarkeit, reale Kaufkraftverluste. So wird aus der oft beschworenen Solidarität eine selektive Solidarität.

Nicht nur aktive Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auch viele beim AMS gemeldete Personen haben im Alltag mit gewerkschaftsnahen Organisationen zu tun – etwa in Arbeitsüberlassungsstellen, Bildungseinrichtungen oder Arbeitstrainings. So entsteht ein Kreislauf, in dem der ÖGB auch jenseits der klassischen Mitgliedschaft präsent bleibt. Selbst wer kein Mitglied ist, kann in diesem System von gewerkschaftlichen Strukturen profitieren – oder eben auch übersehen werden.

Und im worst case? Wer einer zugewiesenen Maßnahme nicht nachkommt, riskiert die Kürzung oder Streichung seines Arbeitslosengeldes. Und wer sich über zu niedrige Lohnzuwächse in seinem Kollektivvertrag beschwert, merkt schnell, wie hellhörig die Kollegenschaft im Betriebsbüro wird.

(red)

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