Künstler protestieren gegen ORF-Kürzungen
Ein offener Brief warnt vor Einschnitten bei der ORF-Kulturberichterstattung – vor allem im Digitalbereich.

Ein Aufruf sorgt für Aufsehen: Mehr als 600 Kunst- und Kulturschaffende – darunter Größen wie Elfriede Jelinek, Michael Köhlmeier und Cornelius Obonya – haben einen offenen Brief an ORF-Generaldirektor Roland Weißmann unterzeichnet. Die Initiative mit dem Titel „Kein Wegsparen von ORF-Kulturnachrichten und ORF-Kulturprogrammen“ warnt vor einer Aushöhlung der Kulturberichterstattung, insbesondere im Zuge der geplanten Ausrichtung des Eurovision Song Contest 2026 in Österreich.
Besonders im Visier: Die Einstellung der Online-Plattform Topos, die der ORF mit Jahresende aus „strategischen und kostentechnischen Gründen“ beenden will. Der Appell fordert nicht nur den Erhalt dieser digitalen Kulturmarke, sondern auch den grundsätzlichen Schutz von Redaktionen in Hörfunk, Fernsehen und Online.
Der ORF verweist auf Zahlen
In einer Stellungnahme betonte Generaldirektor Weißmann, dass der ORF mit einem jährlichen Kultur-Programmbudget von rund 120 Millionen Euro nach wie vor der verlässlichste Partner der österreichischen Kulturszene sei. Man verweise etwa auf den ORF-Kultursommer mit 500 Stunden Kulturprogramm, auf das ORF-Radio-Symphonieorchester, die “Tage der österreichischen Literatur” und steigende Hörerzahlen bei Ö1 – dem „wichtigsten Kulturradiosender des DACH-Raums“.
Auch das Auslaufen von Topos habe „keine Auswirkungen auf den weiteren Umfang der ORF-Kulturberichterstattung“, so der ORF. Kulturnachrichten würden weiterhin – nach der TV-Ausstrahlung – auf ORF ON abrufbar sein.
Interessenlagen der Kulturschaffenden
So nachvollziehbar die kulturpolitischen Sorgen sein mögen – sie sind nicht frei von Eigeninteresse. Die große Zahl der Unterzeichnenden wirkt. Dass binnen kurzer Zeit über 600 Einzelpersonen und knapp 100 Institutionen mitunterzeichnen, spricht für gute Vernetzung – aber auch für eine Szene, die eng mit dem öffentlich-rechtlichen System verbunden ist. Die Sorge gilt nicht zuletzt dem eigenen Resonanzraum.
Es fällt auf, wie geschlossen sich eine Kulturlandschaft zu Wort meldet, die in weiten Teilen von öffentlichen Mitteln getragen wird. Der ORF fungiert dabei als wichtiger Förderer, Plattformgeber und Auftraggeber zugleich. Wer hier den Verlust eines Formats beklagt, kämpft auch um Sichtbarkeit, Geltung – und letztlich Jobs.
Topos fällt – doch die Kultur bleibt
Die Einstellung von Topos ist kein sonderlich sichtbarer Einschnitt. Das Projekt galt als digitales Aushängeschild für feuilletonistische Formate abseits des Nachrichtentakts. Mit dem Wechsel von Projektleiter Gerald Heidegger in die Hauptabteilung ORF Wissen und der Neuausrichtung im multimedialen Newsroom endet ein kurzer Abschnitt publizistischer Vielfalt im ORF-Netz.
Der Protest wirkt einstudiert – doch diesmal bleibt vor allem eines spürbar: Die Sorge vor Bedeutungsverlust in einem System, das nicht nur berichtet, sondern auch verteilt.
(APA/red)