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Ein leiser Abschied von der Landkarte

Freytag & Berndt schließt seine letzte Filiale und macht Wien um ein Stück Buchhandelsgeschichte ärmer.

12.12.2025 9:55
Redaktion
© Adobe

Mit der Schließung der Filiale in der Wallnerstraße verliert Wien kurz vor Weihnachten ein Traditionshaus des Einzelhandels. Freytag & Berndt, 1784 gegründet und über Generationen hinweg Fixpunkt für Karten, Reisebücher und Orientierung, zieht sich endgültig aus dem stationären Buchhandel zurück. Am Heiligen Abend 2025 sperrt das Geschäft nach 241 Jahren zum letzten Mal zu.

Die Gründe klingen zeitgemäß. Kollektivvertragliche Erhöhungen, Inflation, gestiegene Energie-, Personal- und Mietkosten an einem beratungsintensiven Innenstadtstandort hätten die Entscheidung unausweichlich gemacht, erklärte Geschäftsführer Carl Rauch. Hinzu kommt ein struktureller Wandel: Der Markt für klassische Reisebücher, Kartografie und Wanderführer schrumpft, während der Online-Umsatz stabil bleibt und mittlerweile rund die Hälfte der Verkäufe ausmacht.

Vom Kohlmarkt in die Wallnerstraße

Ganz neu ist der Abschied von einem physischen Standort dem Haus nicht. 2014 hatte Freytag & Berndt nach 239 Jahren den traditionsreichen Platz am Kohlmarkt verlassen und war in die Wallnerstraße übersiedelt. Schon damals war von Mietsteigerungen die Rede, während der Kohlmarkt sich zunehmend internationalen Luxuslabels öffnete.

In der Wallnerstraße arbeiten derzeit zwölf Personen, die meisten in Teilzeit. Ein Teil der Belegschaft soll zu Morawa in die Wollzeile wechseln, andere ins Logistikzentrum von Freytag & Berndt, um den Webshop zu betreuen.

Neue Eigentümer, neue Strukturen

Die Schließung fällt in eine Phase grundlegender Umstrukturierungen. Im Oktober 2025 übernahm der deutsche Reisemedienkonzern Mairdumont über seine Tochter Kompass Karten GmbH die Kartografie-Sparte von freytag & berndt. Unter dem Namen Kompass Freytag & Berndt entstand damit nach Angaben des Konzerns der weltweit größte Kartografie-Verlag für analoge und digitale Produkte. Rund 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Wien wechselten ebenso wie das Team in Innsbruck in die neue Gesellschaft, beide Standorte bleiben erhalten.

Andere Bereiche – darunter die Verlagsauslieferung in Wolkersdorf sowie Tochterunternehmen wie der Bergverlag Rother oder FB Imray – verbleiben bei den bisherigen Gesellschaftern. Zum Jahreswechsel sollen die neuen Strukturen abgeschlossen sein.

Reisesehnsucht wie damals

Der Abschied hat eine leise melancholische Note. Freytag & Berndt war mehr als ein Geschäft: ein Ort, an dem man Karten entfaltete, Routen plante und sich vor Reisen beraten ließ, lange bevor Online-Suchergebnisse über den nächsten Schritt entschieden. Der Verlust des Geschäfts ist auch einer für das Stadtbild.

(red)

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