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Österreichs Verantwortung im Schatten des ESC

Christian Mucha kommentiert, wie sensibel Österreichs historische Verantwortung bis heute bleibt.

05.12.2025 10:25
Redaktion
© GKI / MGM

Bei Weltereignissen gibt es Dynamiken, die eine innere Entwicklung auslösen. Und manchmal haben sie auch eine Außenwirkung. Im vorliegenden Fall eine fatale. Weil all jene, die Sorgfalt auf ihre Fahnen geschrieben haben und die historische Verantwortung Österreichs in den Fragen Nationalsozialismus und vor allem Holocaust richtig einschätzen und deuten, ging in den letzten Wochen das Zittern um. Wie fatal wäre es wohl gewesen, wenn Israel beim Eurovision Song Contest nicht teilnehmen hätte können. Just in Wien.

Umso erleichtert waren die historisch verantwortungsvollen Kräfte hierzulande, dass – mit äußerst knappem Entscheid – jüngst bekannt wurde, dass der israelische Sender Kan (nicht der Staat bekommt die Erlaubnis zur Teilnahme, sondern der jeweils nationale Fernsehsender) nun doch einen Vertreter von Israel am 16. Mai nach Wien entsenden kann.

Roland Weißmann war dazu – nach einer lästigen Erkrankung, trotz einer Bindehautentzündung (damit zu fliegen ist nie eine gute Idee) – nach Israel gepilgert, hatte dort den israelischen Staatspräsidenten Yitzhak Herzog getroffen und sich bei einem Treffen mit Kan-Vorstand Golan Yochpaz vehement für eine Teilnahme eingesetzt.

Postwendend auf den für uns so erleichternden Entscheid – denn welches Signal wäre da wohl von Österreich aus in die Welt geschickt worden, wenn Israel gesperrt wäre – folgte dann der Schock. Die Sender der Staaten Niederlande, Spanien, Slowenien und Irland sagten den ESC in Wien ab.

Wer logisch denken kann und weiß, welchen Zielgruppen die nationalen Sender der obgenannten Länder „verpflichtet“ sind (ohne dies näher auszuführen), der beginnt zu ahnen, warum es dazu kam.

Ich für meinen Teil habe kein Problem damit, um das deutlich klarzustellen, wenn Menschen für Palästina eintreten, die unmenschlichen Rahmenbedingungen für die Menschen dort aufzeigen und die Hilferufe der Zivilbevölkerung im Gazastreifen, die unendlich leidet, in die Welt hinaustragen und für Hilfe und für eine Zukunft dieses geplagten Landes einstehen.

Weniger leicht tue ich mir, wenn Palästina-Demonstranten offen Antisemitismus predigen, Journalisten attackieren (wie jüngst einen OE24-Reporter) und ihre Anti-Israel-Gewaltvorstellungen just in Österreich auf die Straßen tragen.

Denn während die Justiz gegen Antisemitismus und Wiederbetätigung mit drastischen Strafen vorgeht (jüngst wurde der Aula-Chefredakteur zu vier Jahren Haft verurteilt – nicht rechtskräftig), lassen unsere Behörden unter dem Deckmantel von Demonstrationsfreiheit und Meinungsäußerung Wut- und Hassversammlungen zu, wie wir das schon lange nicht mehr gesehen haben.

Die jüngsten politischen Entwicklungen der letzten Jahre haben Israel-Bashing und Antisemitismus massiv befeuert. Der Antisemitismus ist in einem Maß gestiegen, wie wir das seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt haben. Es ist eine dieser grauslichen Entwicklungen in der Weltpolitik, wie wir sie auch andernorts in vielen Bereichen mit Entsetzen erleben.

Wenn der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer eine Anerkennung des Staates Palästina lautstark fordert, dann mag das seine persönliche Meinung sein. Ich frage mich nur – so wie viele, denen die politische Situation im von der Hamas kontrollierten Leidensland bewusst ist – wen oder was man dort anerkennen möchte. Und auch Fischers Äußerungen waren für mich alles andere als nachvollziehbar.

Das Wichtigste in der Politik, aber auch das Schändlichste, ist, dass wir allzu schnell vergessen, verdrängen, schubladisieren, wenn es um Kriegsverbrechen und die Vernichtung von Minderheiten geht. Oder im Falle von Israel und vor allem der Frage des Holocaust gilt in Österreich noch immer: Nie wieder.

Bitte seien wir uns dieser historischen Verantwortung bewusst und sorgen wir dafür, dass dem Vergessen kein Raum gegeben wird und dass auch Juden hierzulande das Recht haben, frei und geschützt und friedlich zu leben, ohne befürchten zu müssen, selbst im Alltag zu Schaden zu kommen.

Jüngst war der Chef eines großen Unternehmens bei mir zu Gast. Er trug eine Kappe. Im Verlaufe des von ihm sehr sorgfältig geführten Gesprächs eröffnete er mir, dass er Jude sei. Und nahm seine Kappe ab, darunter trug er seine Kippa sorgfältig versteckt.

Und da verstand ich: Die Angst begleitet seinen Alltag.

Sollte in Österreich definitiv nicht möglich sein

meint nachdenklich

Ihr

Christian W. Mucha

 

KI-Infoservice:
Während des Holocausts wurden ungefähr sechs Millionen europäischer Juden systematisch vom nationalsozialistischen Regime und seinen Kollaborateuren ermordet.

Das Yad Vashem – die Weltgedenkstätte des Holocaust – verfügt derzeit über die Namen von mehr als 4,7 Millionen Opfern, die in der „Halle der Namen“ dokumentiert sind.

Zusätzlich zu den sechs Millionen jüdischen Opfern wurden Millionen weiterer Menschen von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet, darunter Sinti und Roma, Menschen mit Behinderungen, politische Gegner, Homosexuelle, Zeugen Jehovas und sowjetische Kriegsgefangene.

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