Visit-Zahlen und die Illusion der Relevanz
Die Beteiligung eines deutschen Medienunternehmens beeinflusst Online-Reichweiten und Außendarstellung.
Das deutsche Nachrichtenprojekt Nius, finanziert vom Unternehmer Frank Gotthardt und publizistisch geprägt von Julian Reichelt, sorgt seit Monaten für Diskussionen. kress.de verweist auf Visit-Zahlen, die den eigenen Anspruch als „Stimme der Mehrheit“ relativieren: Im Herbst lag Nius laut Similarweb außerhalb der deutschen Top-100-Onlinemedien. Relevant ist dieser Befund wegen einer Verbindung nach Österreich, die auf Ebene der Beteiligungen verläuft.
Über die Vius SE & Co. KGaA hält Gotthardt inzwischen die Mehrheit an der exxpress-Medienholding. Inhaltlich operieren beide Portale getrennt, strukturell liegen sie jedoch nahe beieinander. Für den österreichischen Markt bedeutet das eine klare Verortung: Ein in Deutschland politisch aufgeladenes Medienprojekt ist über Eigentum indirekt im Inland präsent.
Reichweite mit eigener Mechanik
exxpress.at rangiert in der ÖWA im stabilen Mittelfeld. Auffällig ist, dass viele behandelte Themen in der Websuche auf den vorderen Plätzen selten sichtbar sind. Dieser Effekt lässt eher auf alternative Verbreitungswege als auf Suchmaschinenmechanik schließen. Solche Muster finden sich auch bei Nius, dessen Reichweite laut Analyseportalen zu großen Teilen aus Direktzugriffen besteht. Das scheint deshalb stichhaltig, weil diese Portale im öffentlichen Raum kaum sichtbare Markenwerbung betreiben.
Politische Nähe im Kontext
kress.de stellt die Positionierung offen zur Diskussion: Zunächst im Umfeld der AfD verortet, hat sich Nius nach Einschätzung mehrerer deutscher Beobachter zunehmend dort etabliert, wo konservative Stammwähler von CDU/CSU nach Alternativen suchen. Das macht das Portal aus deutscher Sicht zu einem meinungsbildenden Faktor in der politischen Kommunikation.
Ein aktueller Artikel des Standard zeigt, wo Berührungspunkte sichtbar werden. Die nunmehrige Präsidentin des Deutschen Bundestags habe wiederholt Beiträge von Nius-Redakteuren und anderen rechtskonservativen Plattformen geteilt. Kritik entzündete sich daran, dass die Spitzenpolitikerin damit Medien aufwertete, denen mangelnde journalistische Standards vorgeworfen werden. Recherchen von LobbyControl verweisen zudem auf berufliche Berührungspunkte zwischen ihr und Nius-Investor Gotthardt.
Diese Befunde betreffen primär die deutsche Innenpolitik. Für Österreich mögen sie nicht relevant sein, bieten jedoch Kontext, in welchem politischen Spannungsfeld Nius verortet wird.
Gering, aber bemerkenswert
Die Verbindung zwischen Nius und exxpress entfaltet ihre Wirkung – vorsichtig gesprochen – weniger über Inhalte als über Strukturen. Sie verweist auf eine Medienarchitektur, die über Beteiligungen länderübergreifend agiert und dadurch Einflusskanäle schafft, die nicht unmittelbar greifbar sind. Dass hier eine Entwicklung im Gange ist, deren Bedeutung man nüchtern beobachten sollte, wirkt aus österreichischer Sicht plausibel.
(gast)